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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Situation bei den Landesbanken beweist, dass eine unreflektierte Liquiditätsversorgung des Finanzsektors zwangsläufig zu Spekulationsexzessen führen muss.

Produkte
    Mit dem Begriff Produkt assoziieren wir etwas Handfestes, ein Wirtschaftsgut, das durch einen Wertschöpfungsprozess geschaffen wird, wie zum Beispiel das im Abschnitt → BIP (Bruttoinlandsprodukt) aufgeführte Wohnzimmerregal.
    Bankprodukte sind immaterielle Güter. Zwar ist ein Sparbuch ein konkreter Gegenstand, aber das Entscheidende ist die durch das Buch verbriefte Spareinlage. Bei einer ec-Karte steht nicht das Plastikkärtchen mit Magnetstreifen im Vordergrund, sondern die Möglichkeit, mittels Karteneinsatz Bargeld abheben oder in Geschäften bargeldlos bezahlen zu können. Bankprodukte sind aus diesem Grund nicht attraktiv oder gar »sexy«. Der Reiz muss durch ihre Verwendungszwecke herausgestellt werden. Und hierbei ist die Finanzbranche äußerst kreativ. Was jedoch dahintersteckt, ist heiße Luft – teilweise sogar Irreführung.
    Es folgen einige Beispiele für die in lupenreinem MarketingDeutsch beziehungsweise Marketing-Denglisch daherkommenden Produktbeschreibungen und -attribute: Anleihen, die durch (teils fragwürdige) Forderungen besichert sind, werden als »gedeckte Schuldverschreibungen« oder asset backed securities (→ ABS ) vermarktet, Wertpapiere, bei denen die Rückzahlung des vom Kunden eingezahlten Geldes von bestimmten Faktoren (zum Beispiel der Entwicklung eines → Indexes oder der Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen – vgl. → CDO , → Kobold und Kolibri ) abhängt, preisen Bankberater als »strukturierte Produkte« an; mit → Derivaten gespickte Papiere vertreibt die Branche unter der Bezeichnung → Zertifikate – das klingt so schön nach Zertifizierung im Sinne von Qualitätsbescheinigung.
    Ganz abstrus werden Produktbeschreibungen bei Fondsanlagen. Fonds, so erklärt man dem staunenden Anleger, investieren in »erstklassige, AAA-geratete assets «. Der Kunde kann, je nach Risikoneigung, zwischen den Fondsvarianten »Rendite«, »Wachstum« und »Chance« wählen. Rendite steht dabei für ein geringes Verlustrisiko, Wachstum bedeutet höheres und Chance sehr hohes Verlustrisiko; das wird kein Laie aufgrund der Begrifflichkeiten jemals vermuten. Aber bei allen drei Varianten gilt selbstredend: Das Fondsmanagement ist stets bemüht, »absolute Verluste« (der Kunde bekommt weniger zurück, als er eingezahlt hat) zu vermeiden. Und zwar durch »innovatives Risikomanagement«, »einen hohen Grad an Diversifikation« sowie den Einsatz »automatisierter Verlustbegrenzungsinstrumente (stop-loss)«.
    Seit 2011 gilt gemäß § 31, Absatz 3a des Wertpapierhandelsgesetzes: »Im Falle einer Anlageberatung ist dem Kunden rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts über Finanzinstrumente ein kurzes und leicht verständliches Informationsblatt über jedes Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen, auf das sich eine Kaufempfehlung bezieht.« Die Pflicht zur Ausarbeitung solcher Produktinformationsblätter für alle möglichen Anlageformen (auch »Beipackzettel« genannt) stößt der Branche sauer auf. Von Bürokratisierung ist die Rede, von einer Beeinträchtigung der Anlageberatungsqualität. Klar – die Branche möchte verkaufen und sich nicht mit einer Didaktisierung von Produktmerkmalen beschäftigen. Solange die Strukturen im Finanzsektor so bleiben, wie sie sind, wird es jedoch weiterhin eine beachtliche Fülle verschachtelter, komplexer (und damit für Nicht-Fachleute kaum nachvollziehbarer) Bankprodukte geben, und eine einfache Beschreibung solcher Produkte ist äußerst schwierig. Entsprechend miserabel ist die Qualität der Beipackzettel in der Praxis.
    Da ist es viel einfacher, sich hinter griffigen Marketingformulierungen zu verschanzen.

put
    Steve Jobs, der legendäre Apple-Gründer, starb am 5. Oktober 2011. Bereits zu Beginn seines Todesjahres war er schwer von seiner Krankheit gezeichnet. Nachdem er im Januar eine weitere Auszeit von seiner Tätigkeit als Kopf des innovativen Hard- und Softwareherstellers genommen hatte, wurde ein bestimmtes Youtube-Video fünf Mal häufiger als sonst angeklickt. Dieses zeigte Jobs bei einer Rede an der Stanford University im Jahr 2005, in der er sich auch über den Tod (»Die beste Erfindung des Lebens«) geäußert hatte.
    Es ist nicht bekannt, wie viele der Youtube-Klicker anschließend Put-Optionen auf Apple erworben haben, aber es waren mit Sicherheit einige

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