Das krumme Haus
nein. Sie hatten zum Beispiel eine Unterredung mit Ihrem Vater an dem Nachmittag, an dem er starb.«
»Ja, gewiss, ich trank mit ihm Tee. Das sagte ich Ihnen ja.«
»Sie sagten uns aber nichts von der Unterredung.«
»Wir… sprachen eben miteinander.«
»Worüber?«
»Über alltägliche Dinge, über das Haus, über Sophia…«
»Und die Lebensmittel-AG? Wurde die auch erwähnt?«
Ich glaube, ich hatte bis jetzt gehofft, dass Josephine die ganze Geschichte erfunden hätte; aber diese Hoffnung wurde jetzt rasch zerstört.
Rogers Miene änderte sich. Sie spiegelte beinahe Verzweiflung.
»O mein Gott«, stieß er hervor, sank auf einen Stuhl und vergrub das Gesicht in den Händen.
Taverner lächelte wie eine zufriedene Katze.
»Sie geben also zu, Mr Leonides, dass Sie nicht offen zu uns waren?«
»Wie haben Sie das erfahren? Ich dachte, niemand wüsste es. Ich begreife nicht, wie das herauskommen konnte.«
»Wir haben Mittel und Wege, solche Dinge herauszufinden. Sie sehen jetzt wohl ein, dass Sie uns besser die Wahrheit sagen würden?«
»Ja, ja, natürlich. Was möchten Sie wissen?«
»Ist es wahr, dass die Lebensmittel-AG vor dem Zusammenbruch steht?«
»Ja. Es lässt sich nichts mehr machen. Der Zusammenbruch ist unvermeidlich. Wenn nur mein Vater gestorben wäre, ohne etwas davon zu erfahren… Ich schäme mich so…«
»Kann das zu einem juristischen Nachspiel führen?«
Roger zuckte zusammen.
»Nein, bestimmt nicht. Es wird einen Bankrott geben, aber keinen unehrenhaften. Ich werde einen Nachlassvertrag machen und mit meinem persönlichen Vermögen haften. Nein, ich schäme mich, dass ich meinem Vater gegenüber versagt habe. Er vertraute mir. Er übertrug mir sein größtes Geschäft, das ihm am meisten am Herzen lag. Er mischte sich nie ein, fragte nie, was ich trieb. Er vertraute mir ganz einfach, und ich… ich enttäuschte ihn.«
Mein Alter Herr sagte trocken: »Ein juristisches Nachspiel wird es also nicht geben. Warum wollten Sie dann mit Ihrer Frau heimlich ins Ausland fahren?«
»Das wissen Sie auch?«
»Ja, Mr Leonides.«
»Aber verstehen Sie nicht?« Er lehnte sich eifrig vor. »Ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Das hätte so ausgesehen, als ob ich Geld haben wollte, als ob ich von ihm verlangte, mich wieder auf die Füße zu stellen. Er… er hatte mich sehr gern. Er hätte mir gewiss geholfen. Aber ich konnte nicht… konnte nicht weitermachen. Ich tauge nichts. Ich bin nicht wie mein Vater. Das wusste ich von jeher. Ich habe es versucht. Aber es geht nicht. Ich habe so gelitten… ach Gott, Sie ahnen nicht, was ich durchgemacht habe. Immer zu versuchen, aus dem Schlamassel herauszukommen, immer zu hoffen, dass es einigermaßen Ordnung gibt, zu hoffen, dass der gute, alte Mann nichts erfahren müsste. Und dann kam es… keine Hoffnung mehr, den Zusammenbruch verhindern zu können. Meine Frau verstand mich und war der gleichen Meinung wie ich. Wir planten, fortzugehen und keiner Seele etwas zu verraten. Dann mochte das Gewitter ausbrechen. Ich wollte meinem Vater einen Brief hinterlassen, in dem stehen sollte, wie ich mich schämte und wie sehr ich ihn um Verzeihung bäte. Er war immer so gut zu mir… Dann wäre es für ihn zu spät gewesen, etwas für mich zu tun. Das wollte ich. Nicht ihn um Hilfe bitten. Irgendwo selbstständig von vorn anfangen. Einfach und bescheiden leben. Clemency war einverstanden. Nur gerade das Nötigste zum Leben haben… Wir waren uns einig… ach, meine Frau ist wundervoll.«
»Und weshalb änderten Sie Ihren Entschluss? Wie kam es, dass Sie doch zu Ihrem Vater gingen und um finanzielle Hilfe baten?«
Roger starrte ihn an.
»Aber das tat ich ja gar nicht!«
»Na, na, Mr Leonides.«
»Sie irren sich. Ich ging nicht zu ihm. Er ließ mich kommen. Er hatte irgendein Gerücht gehört. Er fragte mich, und da wurde ich natürlich schwach und sagte ihm alles. Ich sagte zu ihm, es gehe mir weniger um das Geld als um das Gefühl, ihn enttäuscht zu haben, nachdem er auf mich gebaut hatte.« Roger schluckte krampfhaft. »Der Gute… Sie können sich nicht vorstellen, wie gütig er zu mir war. Kein Wort des Vorwurfs. Nur Güte. Ich sagte ihm, dass ich keine Hilfe wollte, sondern wie geplant fortzugehen beabsichtigte. Aber darauf ließ er sich nicht ein. Er bestand darauf, einzuspringen und der Lebensmittel-AG wieder auf die Beine zu helfen.«
Taverner fiel schneidend ein: »Sie möchten uns glauben machen, dass Ihr Vater Ihnen finanziell beistehen
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