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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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schwaches, leicht schwermütiges Lächeln glitt über sein Gesicht. »Manche Mörder sind durchaus nette Menschen.«
    Ich muss ihn wohl entsetzt angesehen haben, denn er bekräftigte: »O ja, ganz gewöhnliche nette Menschen wie du und ich oder wie der Mann, der vorhin hier war – Roger Leonides.
    Der Mörder ist als Verbrecher ein Amateur. Ich spreche natürlich von dem Typus, an den du denkst, nicht an Gangster. Sehr oft hat man das Gefühl, dass diese gewöhnlichen, netten Menschen überrumpelt worden sind, dass sie zufällig zu Mördern geworden sind. Sie waren in der Klemme, oder sie wünschten sich glühend etwas – eine Frau oder Geld –, und sie brachten einen Menschen um, um das Gewünschte zu erlangen. Die Hemmungen, die die meisten von uns haben, fehlen bei ihnen. Ein Kind zum Beispiel handelt auch ohne Hemmungen. Wenn es auf seine Katze böse ist, sagt es: ›Ich bringe dich um‹, und schlägt mit dem Hammer auf den Kopf des Tieres. Und dann bricht ihm beinahe das Herz, weil die Katze nicht mehr zum Leben zu erwecken ist! Viele kleine Kinder richten aus Geltungsbedürfnis ähnliches Unheil an. Später entwickelt sich in ihnen das Gefühl für Recht und Unrecht. Einige Menschen aber bleiben moralisch unreif. Sie wissen zwar, dass Mord ein Unrecht ist; aber sie haben kein Gefühl dafür. Bei den Fällen, die mir untergekommen sind, haben die Mörder keine wirkliche Reue empfunden. Und das ist vielleicht das Kainszeichen.«
    »Glaubst du, dass jemand den alten Leonides so sehr gehasst hat, dass er ihn umbrachte?«
    »Reiner Hass? Sehr unwahrscheinlich, würde ich sagen.« Mein Vater blickte mich neugierig an. »Mit Hass meinst du vermutlich eine bis zum Äußersten gesteigerte Abneigung. Hass aus Eifersucht ist etwas anderes, er entsteht aus Liebe und Verdrängung. Constance Kent, sagten alle, liebte ihren kleinen Bruder sehr, den sie umbrachte. Aber sie wollte die Aufmerksamkeit und Liebe, die man ihm entgegengebracht hatte, für sich haben. Ich glaube, die Menschen töten öfter jemanden, den sie lieben, als jemanden, den sie hassen. Vielleicht weil nur ein Mensch, den man liebt, einem das Leben wirklich zur Hölle machen kann. Aber all das hilft dir nicht weiter, nicht wahr? Du brauchst wohl eher ein Merkmal, das es dir ermöglicht, aus einer Gruppe anscheinend normaler und netter Menschen einen Mörder herauszufinden?«
    »Ja.«
    »Gibt es so etwas überhaupt? Ich bezweifle es. Wenn es denn eines gibt, dann würde ich vielleicht sagen: Eitelkeit.«
    »Eitelkeit?«
    »Ja, ich habe noch nie einen Mörder getroffen, der nicht eitel war. Bei neunzig Prozent führt die Eitelkeit zur Tat, und meist sind die Verbrecher überzeugt, dass sie infolge ihrer Geschicklichkeit nicht überführt werden.« Er fügte hinzu: »Noch ein wichtiger Punkt: Der Mörder hat den Drang zu reden.«
    »Zu reden?«
    »Ja, siehst du, wenn man einen Mord begangen hat, gerät man in große Einsamkeit. Man möchte mit einem Menschen über alles sprechen, und das ist unmöglich. Und deshalb wird der Drang immer stärker. Wenn man auch nicht darüber sprechen kann, wie man die Tat vollführt hat, so kann man wenigstens über Mordfragen an sich reden, theoretisieren, diskutieren. Ich an deiner Stelle würde vor allem diesen Punkt beachten, Charles. Natürlich musst du dich dabei vor Vorurteilen hüten. Ob schuldig oder unschuldig, alle werden sich über die Möglichkeit freuen, mit einem Fremden zu sprechen, weil sie zu dir Dinge sagen können, die sie voreinander verschweigen müssen. Aber vielleicht lässt sich ein Unterschied erkennen. Ein Mensch, der etwas zu verbergen hat, muss sich Zügel anlegen, darf nicht alles sagen, und wenn er falsche Informationen gibt, begeht er fast immer einen Schnitzer. Sprich also mit den Leuten im Hause Leonides, Charles, und gib Acht auf einen Schnitzer oder eine verräterische Bemerkung.«
    Ich berichtete ihm daraufhin, was Sophia von der Grausamkeit ihrer Angehörigen gesagt hatte, und er hörte interessiert zu.
    »Da hat deine Sophia nicht so Unrecht«, versetzte er dann. »In den meisten Familien findet man eine derartige Achillesferse. Viele Menschen können mit einer Schwäche fertigwerden; aber es ist viel schwieriger, wenn diese Schwäche in verschiedener Form auftritt. Nimm die Havilandsche Grausamkeit und die Leonidessche Gewissenlosigkeit – gegen die Havilands lässt sich gar nichts sagen, weil sie nicht gewissenlos sind, und die Leonides sind zwar gewissenlos, aber doch gütig. Wenn

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