Das Kultur-Spiel
wollte er sich in den Einzelspielen einen solchen Vorsprung verschaffen, dass er derartigen Stürmen trotzen konnte.
Es bereitete ihm großes Vergnügen, Tounse, den Priester, zu schlagen. Der Apex schwenkte nach Gurgehs entscheidendem Zug die Arme über dem Brett, sprang auf, schrie ihn an, schüttelte die Faust gegen ihn und faselte von Drogen und Heiden. Früher einmal, sagte sich Gurgeh, wäre ihm bei einer solchen Reaktion der kalte Schweiß ausgebrochen, oder zumindest wäre er in tödliche Verlegenheit geraten. Aber jetzt lehnte er sich nur zurück und lächelte kalt.
Trotzdem, als der Priester ihn beschimpfte, glaubte er, der Apex werde ihn gleich schlagen, und sein Herz pochte doch ein bisschen schneller… Aber Tounse verstummte mitten in einer Tirade, ließ seinen Blick über die stillen, erschrockenen Leute im Raum schweifen, merkte, wo er sich befand, und entfloh.
Gurgeh stieß den angehaltenen Atem aus, entspannte sein Gesicht. Der kaiserliche Schiedsrichter kam herüber und entschuldigte sich für den Priester.
Im Volk herrschte immer noch die Meinung, Flere-Imsaho versorge Gurgeh während des Spiels mit irgendwelchen Hilfen. Vonseiten des Amtes hieß es deshalb, man sähe es gern, wenn die Maschine während der Sitzungen in den Büros einer kaiserlichen Computerfirma auf der anderen Seite der Stadt bliebe, um jeden Verdacht auszuschließen.
Der Roboter hatte geräuschvoll protestiert, aber Gurgeh hatte sich gern einverstanden erklärt.
Er zog immer noch große Zuschauermengen an. Ein paar Leute kamen, um böse dreinzublicken und zu zischen, bis sie von Funktionären aus dem Saal geführt wurden, aber die meisten wollten nur das Spiel sehen. Der Unterhaltungskomplex verfügte über Räume, in denen man dem Verlauf mittels graphischer Darstellungen folgen konnte, und einige von Gurgehs Sitzungen wurden sogar live im Fernsehen gezeigt, wenn sie zeitlich nicht mit denen des Kaisers zusammenfielen.
Nach dem Priester hatte Gurgeh zwei der Bürokraten und den Oberst zu Gegnern. Er gewann alle Spiele, wenn auch gegen den Offizier nur knapp. Diese Spiele nahmen insgesamt fünf Tage in Anspruch, und Gurgeh verbrachte die ganze Zeit in angespannter Konzentration. Er hatte erwartet, sich am Ende ausgelaugt zu fühlen, doch wenn er auch müde war, herrschte das Gefühl inneren Jubels doch vor. Sein Ergebnis war so gut, dass er zumindest eine Chance hatte, die neun Leute zu schlagen, die das Imperium gegen ihn ins Rennen schickte. Die Ruhepause passte ihm durchaus nicht, er wartete im Gegenteil ungeduldig darauf, dass die anderen ihre kleinen Spiele beendeten, damit der Wettstreit auf den Hauptbrettern beginnen konnte.
»Für Sie ist das alles ja schön und gut, aber ich werde den ganzen Tag in einer Monitor-Kammer festgehalten! Einer Monitor-Kammer, ich bitte Sie! Diese Fleischköpfe versuchen, mir auf den Chip zu fühlen! Draußen ist das herrlichste Wetter, und gerade beginnt die Jahreszeit, zu der die Zugvögel aufbrechen, aber ich werde mit einem Haufen grässlicher Sentientophilen eingesperrt, die mich vergewaltigen wollen!«
»Tut mir Leid, Roboter, aber was kann ich machen? Sie wissen, man sucht nur nach einem Vorwand, mich hinauszuwerfen. Wenn Sie wünschen, werde ich den Antrag stellen, dass Sie stattdessen hier im Modul bleiben dürfen, aber ich bezweifle, dass man ihn genehmigt.«
»Ich brauche mir das nicht gefallen zu lassen, was Sie sehr gut wissen, Jernau Gurgeh. Ich kann tun, was mir beliebt. Wenn ich wollte, könnte ich mich einfach weigern zu gehen. Weder Ihnen noch denen steht es zu, mich herumzukommandieren.«
»Das weiß ich, aber die anderen wissen es nicht. Natürlich können Sie tun, was Sie möchten. Handeln Sie, wie Sie es für richtig halten.«
Gurgeh wandte sich wieder dem Modul-Schirm zu, auf dem er klassische Zehner-Spiele studierte. Flere-Imsaho war grau vor Frustration. Die normalerweise grüngelbe Aura, die er zeigte, wenn er seine Verkleidung abgelegt hatte, war in den letzten paar Tagen immer blasser geworden. Er tat Gurgeh beinahe Leid.
»Nun…«, wimmerte Flere-Imsaho – und Gurgeh hatte den Eindruck, hätte er einen richtigen Mund besessen, dann hätte er auch noch gestottert –, »es ist einfach nicht gut genug!« Und mit dieser ziemlich lahmen Bemerkung schoss der Roboter aus dem Wohnraum.
Gurgeh fragte sich, wie sehr der Roboter darunter leiden mochte, dass er den ganzen Tag eingesperrt wurde. Vor kurzem war ihm der Gedanke gekommen, dass die Maschine
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