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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Gute.
    Gurgeh schaltete ab und lehnte sich zurück. Eine Weile starrte er den leeren Schirm an. Er war sich nicht sicher, was er wissen oder denken oder sich erinnern oder auch nur sein sollte. Ein trauriges Lächeln breitete sich über die eine Seite seines Gesichts aus.
    Flere-Imsaho flog herbei, schwebte über seiner Schulter.
    »Jernau Gurgeh. Sind Sie müde?«
    Erst wollte er nicht, dann drehte er sich doch nach ihm um. »Was? – Ja, ein bisschen.« Er stand auf, reckte sich. »Doch ich bezweifele, dass ich viel schlafen werde.«
    »Ich dachte mir, das könne der Fall sein, und fragte mich, ob Sie wohl Lust hätten, mit mir zu kommen.«
    »Was, um Vögel zu beobachten? Das glaube ich nicht, Roboter. Aber jedenfalls danke.«
    »Eigentlich habe ich nicht an meine gefiederten Freunde gedacht. Ich habe sie nicht immer beobachtet, wenn ich des Nachts draußen war. Manchmal habe ich andere Teile der Stadt aufgesucht, anfangs, um zu sehen, welche Spezies von Vögeln dort leben, aber später weil… nun, weil…«
    Gurgeh runzelte die Stirn. »Warum wollen Sie, dass ich mitkomme?«
    »Weil wir morgen vielleicht sehr schnell von hier abreisen werden, und da schoss es mir durch den Kopf, dass Sie sehr wenig von der Stadt gesehen haben.«
    Gurgeh winkte ab. »Za hat mir genug davon gezeigt.«
    »Ich bezweifle, dass er Ihnen das gezeigt hat, woran ich denke. Es gibt viele verschiedene Dinge zu sehen.«
    »Ich bin nicht an einer Stadtbesichtigung interessiert, Roboter.«
    »Die Sehenswürdigkeiten, an die ich denke, werden Sie interessieren.«
    »Ach ja?«
    »Ich glaube schon. Ich kenne Sie gut genug, um das vorhersagen zu können. Bitte, kommen Sie mit, Jernau Gurgeh. Sie werden froh darüber sein, das schwöre ich. Bitte, kommen Sie. Sie haben doch gesagt, Sie würden nicht schlafen, oder? Nun, was haben Sie dann zu verlieren?« Die Felder des Roboters zeigten ihr normales Grüngelb, ruhig und kontrolliert. Er sprach leise und ernst.
    Gurgeh kniff die Augen zusammen. »Was haben Sie vor, Roboter?«
    »Bitte, bitte, kommen Sie mit mir, Gurgeh.« Die Maschine flog in Richtung der Nase des Moduls. Gurgeh blieb stehen und sah ihr nach. Sie hielt an der Tür des Wohnzimmers an. »Bitte, Jernau Gurgeh. Ich schwöre, Sie werden es nicht bereuen.«
    Gurgeh zuckte die Achseln. »Ja, ja, schon gut.« Er schüttelte den Kopf. »Gehen wir nach draußen zum Spielen«, murmelte er vor sich hin.
    Er folgte dem Roboter zur Nase. Dort befand sich ein Abteil mit zwei Antigrav-Fahrrädern, ein paar Schwebeharnischen und anderen Ausrüstungsgegenständen.
    »Legen Sie einen Harnisch an, bitte. Ich bin gleich wieder da.« Der Roboter überließ es Gurgeh, den Harnisch über Shorts und Hemd zu befestigen, und erschien kurz darauf mit einem langen schwarzen Kapuzenmantel. »Jetzt ziehen Sie das über, bitte.«
    Gurgeh zog den Mantel über den Harnisch. Flere-Imsaho schob ihm die Kapuze über den Kopf und band sie so fest, dass Gurgehs Gesicht von deren Schatten verborgen wurde. Der Harnisch war unter dem dicken Material nicht zu erkennen. Die Lichter in dem Abteil wurden schwächer und gingen aus, und Gurgeh hörte, dass sich über ihm etwas bewegte. Er sah nach oben und in ein Viereck matt leuchtender Sterne.
    »Ich werde Ihren Harnisch steuern, wenn es Ihnen recht ist«, flüsterte der Roboter. Gurgeh nickte.
    Er wurde schnell in die Dunkelheit emporgehoben. Danach ging es nicht wieder nach unten, wie er angenommen hatte, sondern weiter hinauf in die duftende Wärme der Stadtnacht. Der Mantel umflatterte ihn, die Stadt war ein Wirbel aus Lichtern, eine scheinbar niemals endende Ebene verstreuten Leuchtens. Als ein kleiner, stiller Schatten schwebte der Roboter an seiner Schulter.
    Sie flogen über die Stadt, über Straßen und Flüsse und große Gebäude und Kuppeln, Bänder und Trauben und Hügel aus Licht, Stellen, an denen Dampf über Dunkelheit und Feuer trieb, bebende Strecken dunklen Wassers und weite dunkle Parks mit Rasen und Bäumen. Schließlich sanken sie nach unten.
    Sie landeten in einem Gebiet mit verhältnismäßig wenig Lichtern, zwischen zwei dunklen, fensterlosen Gebäuden. Gurgehs Füße berührten den Schmutz einer Gasse.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der Roboter und schob sich in die Kapuze, bis er umgekehrt neben Gurgehs linkem Ohr schwebte. »Gehen Sie da hinunter«, flüsterte er. Gurgeh ging die Gasse hinunter. Er stolperte über etwas Weiches und wusste, bevor er sich umdrehte, dass es ein menschlicher Körper war.

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