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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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bisschen interessanten waren Duelle, für gewöhnlich zwischen zwei Männern, die in Gruben kämpften, umgeben von rufenden, wettenden kaiserlichen Beamten und Spielern. Nur gelegentlich kam dabei jemand ums Leben. Gurgeh hatte den Verdacht, dass nachts Veranstaltungen anderer Art in der Burg stattfanden, die für mindestens einen der Teilnehmer mit dem Tod endeten, und dass man es nicht gern sähe, wenn er als Zuschauer teilnähme oder auch nur davon hörte.
    Doch der Gedanke beunruhigte ihn nicht länger.
     
    Lo Frag Traff war ein junger Apex mit einer sehr auffälligen Narbe, die von der einen Schläfe über die Wange beinahe bis zum Mund lief. Er spielte schnell und kühn, und seine Karriere in der kaiserlichen Sternenarmee trug die gleichen Merkmale. Seine berühmteste Heldentat war die Vernichtung der Urutypaig-Bibliothek. Traff hatte in einem Krieg gegen eine humanoide Spezies den Befehl über eine kleine Bodentruppe gehabt; der Krieg im Raum war vorübergehend zum Stillstand gekommen, aber durch eine Kombination von großer militärischer Begabung und einem bisschen Glück erhielt Traff Gelegenheit, die Hauptstadt der Spezies am Boden zu bedrohen. Der Feind hatte um Frieden gebeten und die Bedingung gestellt, dass die große Bibliothek, berühmt bei sämtlichen zivilisierten Spezies der Kleinen Wolke, unangetastet bleibe. Traff wusste, wenn er diese Bedingung ablehnte, ginge der Kampf weiter. Deshalb gab er sein Ehrenwort, kein Buchstabe, kein Rasterpunkt auf den alten Mikrodateien werde zerstört oder aus der Bibliothek entfernt werden.
    Traff hatte Befehl von seinem Sternenmarschall, die Bibliothek müsse zerstört werden. Nicosar selbst hatte dies als eines seiner ersten Edikte erlassen, nachdem er an die Macht gekommen war. Unterworfene Rassen mussten begreifen: Sobald sie das Missfallen des Kaisers herausforderten, konnte nichts ihre Bestrafung verhindern.
    Während es niemanden im Reich im Geringsten kümmerte, ob einer seiner loyalen Soldaten eine Vereinbarung brach, die er mit einem Haufen Aliens getroffen hatte, war es Traff klar, dass das Ehrenwort heilig ist. Niemand würde ihm mehr trauen, wenn er es nicht hielt.
    Traff wusste bereits, was er tun würde. Er löste das Problem, indem er die Bibliothek sortierte, jedes Wort in alphabetische Reihenfolge und jeden Rasterpunkt von jeder Illustration nach Farbe, Schattierung und Intensität einordnete. Die ursprünglichen Mikrodateien wurden gelöscht und durch ebenso viele ersetzt, die dann nur noch endlose Reihen mit Worten wie ›der‹, ›es‹ und ›und‹ enthielten; die Illustrationen waren Felder reiner Farbe.
    Es gab natürlich Aufstände, aber Traff hatte bis dahin das Heft fest in der Hand, und wie er den erzürnten – und, so stellte es sich heraus, selbstmörderischen – Kustoden der Bibliothek sowie dem Obersten Gerichtshof des Imperiums erklärte, hatte er sein Wort gehalten und kein einziges Wort oder Bild zerstört oder als Beute davongetragen.
    Halbwegs mit dem Spiel auf dem Brett des Ursprungs fertig, fiel Gurgeh etwas Bemerkenswertes auf: Yomonul und Traff spielten gegeneinander, nicht gegen ihn. Sie spielten, als glaubten sie, Gurgeh werde sowieso gewinnen und es gehe bei ihnen nur noch um den zweiten Platz. Gurgeh hatte gewusst, dass sich die beiden nicht liebten; Yomonul repräsentierte die alte Garde des Militärs und Traff die neue Generation draufgängerischer junger Abenteurer. Yomonul war für vorsichtiges Taktieren und den Einsatz der kleinstmöglichen Kräfte, Traff fürs Dreinschlagen. Die beiden kamen von Kollegien, die traditionell miteinander verfeindet waren, und alle ihre Differenzen wurden ganz offen in ihren Spielstilen zur Schau gestellt; der von Yomonul war wohlüberlegt, vorsichtig und leidenschaftslos, der von Traff aggressiv bis zur Tollkühnheit.
    Sie hatten auch eine ganz unterschiedliche Einstellung zum Kaiser. Yomonul hatte eine kühle und praktische Auffassung vom Thron, während Traff eher Nicosar persönlich bis zum Letzten loyal war als dem Amt, das er innehatte. Jeder verabscheute die Überzeugungen des anderen.
    Trotzdem hatte Gurgeh nicht erwartet, dass sie ihn mehr oder weniger ignorieren und sich auf der Stelle gegenseitig an die Gurgel fahren würden. Von neuem fühlte er sich ein bisschen betrogen, weil er kein ordentliches Spiel bekam.
    Einen Ausgleich bildete es gewissermaßen, dass die Giftigkeit, mit der die beiden Krieg führenden Militärs sich bekämpften, sehenswert war, zweifellos

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