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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Besuch des Kontakt-Roboters am gestrigen Abend, aber irgendwie kam er damit nicht klar. Es kam ihm wie ein Traum vor. Er hatte die Aufzeichnungen der Hauskommunikation und -Systeme überprüft. Laut diesen Aufzeichnungen hatte kein Besuch stattgefunden. Aber sein Gespräch mit der Chiark-Nabe war mit Zeitangabe festgehalten und von anderen Unterabschnitten der Nabe sowie für eine kurze Zeit von der Nabengesamtheit bezeugt. Es war also tatsächlich geschehen.
    Als der altertümliche Zug erschien, hatte er ihn angehalten, und im gleichen Augenblick, als er hineinkletterte, war er von einem Mann mittleren Alters namens Dreitram, der auch nach Tronze fuhr, erkannt worden. Mr. Dreitram würde eine Niederlage gegen den großen Jernau Gurgeh höher schätzen als einen Sieg über irgendjemand anders; würde er spielen? Gurgeh war an solche Schmeicheleien durchaus gewöhnt – sie maskierten für gewöhnlich einen unrealistischen, aber ziemlich wilden Ehrgeiz –, hatte jedoch vorgeschlagen, dass sie Besitz spielten. Besitz teilt mit Abräumen so viele Regelbegriffe, dass man es mit Fug und Recht als Lockerungsübung betrachten kann.
    Sie fanden ein Besitz-Spiel in einer der Bars, trugen es auf das Dachdeck hinaus und setzten sich hinter einen Windschutz, damit die Karten nicht weggeweht wurden. Sie hatten reichlich Zeit, das Spiel zu Ende zu führen; der Zug würde fast den ganzen Tag brauchen, um nach Tronze zu kommen. Die Fahrt in einem Unterseite-Wagen hätte zehn Minuten gedauert.
    Der Zug verließ die Brücke und fuhr in eine tiefe, enge Schlucht ein. Der Fahrtwind rief an den nackten Felsen zu beiden Seiten ein unheimliches, widerhallendes Geräusch hervor. Gurgeh betrachtete das Brett. Er spielte normal, ohne Hilfe irgendwelcher gedrüster Substanzen. Sein Gegner benutzte eine wirksame Mischung, die ihm Gurgeh selbst vorgeschlagen hatte. Dazu hatte Gurgeh Mr. Dreltram zu Beginn sieben Figuren vorgegeben, was das erlaubte Höchstmaß war. Der Bursche war kein schlechter Spieler und anfangs, als sein Vorteil in der Figurenzahl die größte Wirkung zeitigte, nahe darangewesen, Gurgeh zu überwinden, doch Gurgeh hatte sich gut verteidigt, und jetzt hatte Mr. Dreitram seine Chance wahrscheinlich vertan. Allerdings gab es immer noch die Möglichkeit, dass er an unvorhergesehenen Stellen ein paar Minen platziert hatte.
    Bei dem Gedanken an derartige unangenehme Überraschungen fiel Gurgeh ein, dass er nicht nachgesehen hatte, wo seine eigene versteckte Figur sich befand. Dies war eine weitere – inoffizielle – Vereinbarung gewesen, um das Spiel ausgeglichener zu machen. Besitz wird auf einem Brett mit vierzig Feldern gespielt. Jeder Spieler stellt seine Figuren in einer großen und zwei kleineren Gruppen auf. Bis zu drei Figuren können auf verschiedenen, ursprünglich unbesetzten Feldern versteckt werden. Ihre Positionen werden auf drei runden Karten eingestellt und arretiert. Diese Karten sind dünne Keramikplättchen, die man nur umdreht, wenn der Spieler seine versteckten Figuren einzusetzen wünscht. Mr. Dreitram hatte seine drei bereits alle enthüllt – eine war zufällig auf dem Feld gewesen, an dem Gurgeh kühn seine sämtlichen neun Minen gelegt hatte, was nun wirklich Pech gewesen war.
    Gurgeh hatte die Nummern für seine einzige versteckte Figur blindlings gedreht und die Wählscheibe mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch gelegt, ohne sie anzusehen. Er hatte ebenso wenig eine Ahnung, wo diese Figur steckte, wie Mr. Dreitram. Vielleicht stellte sich heraus, dass sie sich an einer illegalen Position befand, was zur Folge haben mochte, dass er das Spiel verlor, oder sie tauchte an einer strategisch nützlichen Stelle tief im Territorium seines Gegners auf. Gurgeh liebte es, auf diese Weise zu spielen, falls es sich nicht um einen ernsthaften Wettkampf handelte. Es gab seinem Gegner einen wahrscheinlich benötigten Extra-Vorteil und machte das Spiel als Ganzes interessanter und weniger leicht vorhersagbar. Das war eine besondere Würze.
    Er sollte jetzt besser feststellen, wo die Figur war, sagte er sich. Der Zug-Achtzig-Punkt, an dem sie sowieso enthüllt werden musste, kam ziemlich schnell näher.
    Wo war das Plättchen für seine versteckte Figur? Er sah über den mit Karten und Plättchen bestreuten Tisch hin. Mr. Dreitram war nicht der ordentlichste Spieler; seine Karten und Plättchen sowie die unbenutzten oder weggenommenen Figuren verteilten sich über den größten Teil des Tisches, auch auf der

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