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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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verlegen und über sein Glück entzückt.
    Gurgeh stellte das Herz wieder ab, hob das Keramikplättchen hoch, das ihn im Stich gelassen hatte. »Ich glaube, ich möchte lieber die Scheibe haben.« Er hielt sie Mr. Dreitram entgegen, der nickte.
    »Nun, natürlich. Ich meine: Warum nicht? Ich habe bestimmt nichts dagegen.«
    Der Zug rollte in einen Tunnel und bremste, um an einem Bahnhof zu halten, der innerhalb des Berges in Höhlen angelegt war.
     
    »Die ganze Realität ist ein Spiel. Die fundamentalen physischen Erscheinungen – der Stoff unseres Universums – sind eine unmittelbare Folge des Zusammenwirkens von bestimmten recht einfachen Regeln einerseits und des Zufalls andererseits. Die gleiche Beschreibung gilt für die besten, elegantesten und sowohl intellektuell als auch ästhetisch befriedigenden Spiele. Die Zukunft kennt man nicht, da sie aus Ereignissen resultiert, die auf subatomarer Ebene nicht völlig vorhergesagt werden können. Deshalb bleibt sie formbar und enthält die Möglichkeit der Veränderung, der Erfüllung von Hoffnungen, des Sieges, um ein unmodern gewordenes Wort zu benutzen.
    Insofern ist die Zukunft ein Spiel; die Zeit ist eine der Regeln. Im Allgemeinen lassen sich die besten mechanischen Spiele – diejenigen, die in gewissem Sinn ›perfekt‹ gespielt werden können, zum Beispiel Gitter, Prallischer Raum, ’nkraytle, Schach, Farnische Dimensionen – bis auf Zivilisationen zurückverfolgen, denen es an einer relativistischen Betrachtung des Universums – ganz zu schweigen von der Realität – mangelt. Sie haben außerdem, wie ich ergänzen möchte, in keinem Fall das Zeitalter der bewussten Maschinen erreicht.
    Wirklich erstklassige Spiele beziehen das Element des Zufalls mit ein, auch wenn sie, wie es richtig ist, das reine Glück beschränken. Wer versucht, ein Spiel auf irgendwelchen anderen Grundsätzen aufzubauen, wird sich – ganz gleich, wie kompliziert und subtil die Regeln, wie umfangreich und differenziert das Spielvolumen, wie mannigfaltig die Eigenschaften der Figuren sind – auf einen Rahmen beschränkt sehen, der nicht nur sozial, sondern auch technophilosophisch um Zeitalter hinter unserem eigenen herhinkt. Als historische Übung mag das einigen Wert haben. Als Arbeit des Intellekts ist es nichts als Zeitverschwendung. Wenn Sie irgendetwas Altmodisches schaffen wollen, warum bauen Sie dann nicht ein hölzernes Segelboot oder eine Dampfmaschine? Sie sind ein ebenso kompliziertes und anspruchsvolles mechanistisches Spiel, und gleichzeitig werden Sie sich dabei fit halten.«
    Gurgeh machte vor dem jungen Mann, der ihm eine Idee für ein Spiel vorgetragen hatte, eine ironische Verbeugung. Der Junge war ganz perplex. Er holte Atem und öffnete den Mund zum Sprechen. Darauf hatte Gurgeh – ebenso wie bei den letzten fünf oder sechs Gelegenheiten, als der junge Mann versucht hatte, etwas zu sagen – nur gewartet. Er unterbrach ihn, bevor er noch angefangen hatte.
    »Das ist mein voller Ernst. Es hat nichts intellektuell Minderwertiges, wenn Sie, statt nur Ihr Gehirn zu benutzen, etwas mit Ihren Händen bauen. Dabei können die gleichen Lektionen gelernt, die gleichen Kenntnisse erworben werden, die wirklich von Bedeutung sind.« Wieder hielt er inne. Er sah, dass der Roboter Mawhrin-Skel über die Köpfe der Menschen, die sich auf der weiten Plaza drängten, auf ihn zuschwebte.
    Das Hauptkonzert war vorüber. Die Berggipfel rings um Tronze hallten von den Klängen verschiedener kleinerer Orchester wider. Spezifische musikalische Formen zogen die Leute an, die eine Vorliebe für sie hatten, ob sie nun aus festgelegten Tonfolgen bestanden oder improvisiert, zum Tanzen oder zur Wahrnehmung in einer besonderen Drogentrance bestimmt waren. Es war eine warme, bedeckte Nacht. Ein wenig Licht von der Tagseite schuf einen milchigen Halo um die hohe Bewölkung genau über der Plaza. Tronze, die größte Stadt sowohl auf der Platte als auch auf dem Orbital, war dicht an dem großen Zentralmassiv der Gevant-Platte erbaut worden, dort, wo sich der kilometerhohe Tronze-See über den Rand des Plateaus stürzte und sein Wasser auf die Ebene darunter schüttete, wo es als ständiger Guss in den Regenwald fiel.
    Tronze war die Heimat von weniger als einhunderttausend Leuten, aber Gurgeh fand es hier trotz der geräumigen Häuser und Plätze, der geschwungenen Galerien, Plazas und Terrassen, der tausenden von Hausbooten und den eleganten, durch Brücken verbundenen Türmen

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