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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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war.
    Er beobachtete den Söldner, der sich auf der Kaminumrandung niederließ, das Plasmagewehr vor sich auf den Boden legte und sich ausstreckte. »Nun, eine halbe Schicht Schlaf muss genügen.«
    »Hmm«, sagte Keiver und fühlte sich äußerst unbehaglich. Er warf einen Blick zu der feierlichen Kutsche, in der der andere Mann geschlafen und die er soeben erst geräumt hatte. »Ach!« Keiver zog den Rockelor fester um sich und lächelte. »Ich vermute, du kennst die Geschichte dieser alten Kutsche nicht, oder doch?«
    Der Söldner – der so genannte (ha!) Kriegsminister – zuckte die Achseln. »Na ja«, sagte er. »Laut der Version, die ich gehört habe, geschah es während des Interregnums, dass der Erzpresbyter dem Mythoklasten anbot, er könne sämtliche Tribute, Einnahmen und Seelen all jener Kloster bekommen, über die er seine Staatskarosse erheben konnte, unter Einsatz eines einzigen Pferdes. Der Mythoklast ging darauf ein, gründete diese Burg und ließ diesen Turm mit fremden Darlehen errichten; dabei benutzte er ein außerordentlich leistungsfähiges Flaschenzugsystem, das von seinem preisgekrönten Hengst angetrieben wurde, und ließ die Kutsche im Laufe der Dreißig Goldenen Tage hier heraufhieven, um jedes Kloster im ganzen Land für sich zu beanspruchen. Er gewann die Wette und den darauf folgenden Krieg, löste die Letzte Priesterschaft auf, bezahlte seine Schulden und ging nur deshalb zugrunde, weil der Stallbursche, der für den preisgekrönten Hengst verantwortlich war, sich nicht mit der Tatsache abfinden konnte, dass das Tier an Erschöpfung eingegangen war, und den Mythoklasten mit seinem blut- und schaumbefleckten Zaumzeug erdrosselte – welches gemäß der Legende im Sockel jenes Porzellanthrones eingemauert ist, auf dem du gerade sitzt. So hat man es uns jedenfalls erzählt.« Er sah den anderen Mann an und zuckte erneut die Achseln.
    Keiver merkte, dass seine Kinnlade herunterhing. Er schloss den Mund. »Aha, dann kennst du also die Geschichte.«
    »Nein; es war nur eine kühne Vermutung.«
    Keiver zögerte, dann lachte er schallend.
    »Teufel aber auch! Du bist ein verwegener Bursche, Zakalwe!«
    Der Söldner stocherte mit dem in einem schweren Stiefel steckenden Fuß in den Überresten des Schwarzholzstuhles herum und schwieg.
    Keiver war sich im Klaren darüber, dass er etwas tun musste, also stand er auf. Er stolzierte zum nächsten Fenster, zog den Vorhang zurück und entriegelte die inneren Läden, schob mit einem Hebel die äußeren Laden zur Seite und stand da, den Arm an die Steine gelehnt, und sah nach draußen.
    Der Winterpalast, im Belagerungszustand.
    Draußen standen auf der von Schneeverwehungen bedeckten Fläche zwischen den Lagerfeuern und Gräben riesige Belagerungsmaschinen und Raketenabschussrampen, schwere Artillerie und Steinschleudern; Feldprojektor-Ersatzgeräte und gasbetriebene Suchscheinwerfer, eine abscheuliche Sammlung von marktschreierischen Anachronismen, Widersprüchlichkeiten der Entwicklung und technologischen Zufallsprodukten. Das Ganze lief unter dem Namen Fortschritt.
    »Ich weiß nicht«, hauchte Keiver. »Männer feuern aus dem Sattel ihrer Reittiere Fernlenkgeschosse ab; Düsenflugzeuge werden von programmgesteuerten Pfeilen abgeschossen; Wurfmesser explodieren wie Artilleriegranaten – wo soll das alles enden, Zakalwe?«
    »Hier, und zwar in etwa drei Sekunden, wenn du nicht sofort die Fensterläden schließt oder die Verdunklungsvorhänge zuziehst.« Er stieß mit einem Schürhaken in die Holzklötze in dem Kaminkorb.
    »Ha!« Keiver wich schnell vom Fenster zurück und duckte sich halb, während er an dem Hebel zog, um die äußeren Läden zu schließen. »Still!« Er zog den Vorhang vors Fenster, klopfte sich den Staub von den Händen und beobachtete den Mann, der in den Holzscheiten im Feuer herumstocherte. »In der Tat!« Er nahm seinen Platz auf dem Porzellanthron wieder ein.
    Natürlich gefiel es dem so genannten Herrn Kriegsminister, so zu tun, als hätte er eine Ahnung, wohin das alles führte; er behauptete, eine Art Erklärung für das Ganze zu haben, die irgendetwas zu tun hatte mit Kräften von außen, dem Gleichgewicht der Technologie und der ziellosen Ausuferung militärischer Hexerei. Er machte ständig Andeutungen über größere Zusammenhänge und Konflikte, jenseits des bloßen Hier und Jetzt, und versuchte stets eine – offen gesagt lächerliche – fremdweltliche Übermacht mit ins Spiel zu bringen. Als ob das irgendetwas

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