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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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gering war, und die ganze graue arbeitende Meute war umgeben von einem kleinen Quantum Wohlstand und Vorteil, derart gestaltet, um die dunkle Herrschaft der Wissenden über die Unwissenden aufrechtzuerhalten; und das Schlimmste daran war das Muster, die Wiederholung, die verdrehten Variationen desselben verderbten Themas an so vielen verschiedenen Orten.
    Also dieses Mädchen, Prinzessin genannt. Würde sie sterben? Der Krieg entwickelte sich zu ihren Ungunsten, das wusste er, und dieselbe symbolische Grammatik, die ihr die Aussicht auf Macht verhieß, wenn die Dinge gut gingen, bestimmte auch ihren Einsatz, ihre erweiterte Verwendbarkeit, wenn um sie herum alles schief lief. Eine hohe gesellschaftliche Stellung forderte ihren Tribut, die unterwürfige Verneigung oder den hinterhältigen Messerstich, entsprechend dem Ausgang dieses Kampfes.
    Er sah sie plötzlich als alte Frau vor sich, dort im flackernden Feuer. Er sah sie eingesperrt in einem schmierigen Kerker, wartend, hoffend, voller Schorf von Läusebissen und in Lumpen von Säcken gehüllt, mit geschorenem Kopf, die Augen dunkel und hohl in der rohen Haut; und schließlich an einem schneereichen Tag hinausgeführt, um mit Pfeilen oder Gewehrkugeln an eine Wand genagelt zu werden oder Bekanntschaft mit der kalten Axtschneide zu machen.
    Oder vielleicht war das zu romantisch. Vielleicht käme es zu einer verzweifelten Flucht ins Asyl, einem einsamen und bitteren Leben im Exil, alt und erschöpft, ausgezehrt und senil, stets erfüllt von der Erinnerung an die goldenen alten Zeiten, fruchtlose Eingaben formulierend, auf eine Rückkehr hoffend, jedoch langsam, unausweichlich in eine Art verhätschelte Nutzlosigkeit hineinwachsend, auf die sie ihre Erziehung schon immer vorbereitet hatte, allerdings ohne die Annehmlichkeiten, von denen man ihr stets eingetrichtert hatte, sie könne sie aufgrund ihres Standes erwarten.
    Mit einem Gefühl der Übelkeit erkannte er, dass sie nichts bedeutete. Sie war nur ein weiterer nichts sagender Teil einer anderen Geschichte, auf dem Weg – mit oder ohne die von der Kultur sorgsam bewerteten Anstöße in die ihrer Meinung nach richtige Richtung – zu etwas, das für die meisten wahrscheinlich bessere Zeiten und ein leichteres Leben bedeutete. Jedoch nicht für sie, vermutete er, nicht in diesem Moment.
    Wenn sie zwanzig Jahre früher geboren wäre, hätte sie vielleicht mit einer guten Heirat rechnen können, einem Gewinn bringenden Vermögen, Zugang zum Hof und kräftigen Söhnen, begabten Töchtern… Und zwanzig Jahre später hätte sie vielleicht einen kaufmännisch gerissenen Ehemann bekommen oder hätte sogar – für den unwahrscheinlichen Fall, dass diese besonders geschlechtsbewusste Gesellschaft sich so bald in diese Richtung entwickelte – ein selbstständiges Leben führen können, als Akademikerin, Geschäftsfrau, Vollbringerin guter Taten, was auch immer.
    Aber vermutlich erwartete sie der Tod.
    Hoch oben im Turm einer riesigen Burg, die sich auf einem schwarzen Felsen über einer schneebedeckten Ebene erhob, belagert und Großartigkeit darstellend, voll gestopft mit den Schätzen eines Reiches, saß er vor einem Holzfeuer mit einer traurigen und schönen Prinzessin… Solche Sachen habe ich früher geträumt, dachte er. Ich habe mich danach gesehnt, schmerzlich danach verzehrt. Sie erschienen mir wie der Grundstoff des Lebens, seine Essenz. Warum also schmeckt das alles nach Asche?
    Ich hätte dort am Strand bleiben sollen, Sma. Vielleicht werde ich doch allmählich zu alt für so etwas wie das hier.
    Er zwang sich, den Blick von dem Mädchen abzuwenden. Sma behauptete, er nähme sich die Dinge immer zu sehr zu Herzen, und damit hatte sie nicht ganz Unrecht. Er hatte getan, was man von ihm verlangt hatte, er würde den Lohn bekommen, und am Schluss, wenn alles vorbei wäre, würde er den Versuch unternehmen, Absolution für ein vergangenes Verbrechen zu erhalten. Livueta, sag, dass du mir vergibst.
    »Oh!« Die Prinzessin Neinte hatte soeben die Trümmer des Schwarzholzstuhles entdeckt.
    »Ja«, sagte Keiver und rutschte unbehaglich hin und her. »Das… äh… war ich, befürchte ich. Hat er Euch gehört? Familienbesitz?«
    »Nein, nein! Aber ich kenne ihn von früher, er gehörte meinem Onkel, dem Erzherzog. Er stand damals in seinem Jagdhaus. Darüber hing der gewaltige Kopf eines Tieres. Ich fürchtete mich immer davor, darauf zu sitzen, denn ich hatte den Albtraum, der Kopf würde von der Wand fallen und

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