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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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bemerkte, dass er sie ansah und den Kopf schüttelte.
    »Lach mich nicht aus!«, kreischte sie und ruckelte wütend auf dem Stuhl vor und zurück, wütend über seinen Spott.
    »Halt den Mund! Halt den Mund!«, sagte er erschöpft. Er wusste, dass es nicht überzeugend wirkte, doch er schaffte es nicht, seiner Stimme einen autoritären Klang zu verleihen.
    Erstaunlicherweise hielt sie den Mund.
    Die Regenfälle, und dann sie; manchmal wünschte er, er könnte an das Schicksal glauben. Vielleicht half es gelegentlich wirklich, an Götter zu glauben – wie jetzt, wenn sich alles gegen ihn richtete und jede seiner Wendungen ihm ein weiteres Stochern des Messers in seiner Wunde einbrachte, einen weiteren Hammerschlag auf die Prellungen, die er bereits erlitten hatte – es war tröstend zu glauben, dass das alles so geplant war, alles vorbestimmt, alles bereits irgendwo niedergeschrieben, und dass man lediglich die Seiten eines großen Buches mit unabänderlichem Inhalt umblätterte… Vielleicht bekam man niemals die Chance, selbst die eigene Geschichte zu schreiben (und deshalb war sein eigener Name, sogar dieser Versuch mit der Sprache, eine Verhöhnung seiner selbst).
    Er wusste nicht, was er denken sollte; gab es wirklich ein so kleinmütiges und unterdrückendes Schicksal, wie es manche Leute zu glauben schienen?
    Er wollte nicht hier sein; er wollte wieder dort sein, wo das emsige Hin und Her von Berichten und Befehlen jegliche andere Beschäftigung des Gehirns im Keim erstickte.
    »Ihr verliert; ihr habt diese Schlacht verloren, oder vielleicht nicht?«
    Er erwog, nicht darauf zu antworten, doch als er darüber nachdachte, kam er zu der Einschätzung, dass sie das als Zeichen der Schwäche auslegen würde, also fuhr er fort.
    »Was für eine tiefe Einsicht«, seufzte er. »Du erinnerst mich an einige der Leute, die diesen Krieg geplant haben. Schielend, dumm und unbeweglich.«
    »Ich schiele nicht!«, schrie sie und fing gleich darauf an zu weinen; ihr Kopf wurde durch das Gewicht heftigen Schluchzens gebeugt, das ihren Körper erschütterte und die Falten des Mantels in Wallung brachte und den Stuhl knarren ließ.
    Das schmutzige lange Haar verbarg ihr Gesicht, da es vom Kopf über die breiten Revers des Überziehers fiel; ihre Arme hingen fast bis zum Boden hinunter, so weit war sie beim Weinen zusammengesackt. Er hätte gern die Stärke besessen, zu ihr hinzugehen und sie an sich zu drücken oder ihr das Gehirn aus dem Kopf zu schlagen; irgendetwas, damit sie aufhörte, diesen unnötigen Krach zu veranstalten.
    »Schon gut, schon gut, du schielst nicht. Tut mir Leid.«
    Er legte sich zurück und bedeckte mit einem Arm die Augen, in der Hoffnung, dass er sich überzeugend anhören möge, obwohl er ziemlich sicher war, dass er sich so unaufrichtig anhörte, wie er war.
    »Ich will dein Mitleid nicht!«
    »Tut mir noch mal Leid; ich ziehe den Rückzieher zurück.«
    »Na ja… Man kann nicht sagen, dass ich… Es ist nur ein kleiner angeborener Sehfehler, und er hat die Musterungskommission nicht davon abgehalten, mich für die Armee zu nehmen.«
    (Sie nahmen auch, wie er sich erinnerte, Kinder und Rentner, doch das sagte er der Frau nicht.) Sie versuchte, sich das Gesicht an den Mantelaufschlägen abzuwischen.
    Sie schniefte heftig, und als sie den Kopf hob und ihr Haar nach hinten warf, sah er einen großen Tropfen an ihrer Nasenspitze hängen. Ohne nachzudenken, stand er auf – seine müden Knochen machten sich voller Empörung bemerkbar – und riss ein Stück von dem dünnen Vorhang der Bettnische ab, mit dem er zu ihr ging.
    Als sie sah, dass er sich mit dem ausgefransten Fetzen näherte, brüllte sie mit aller Kraft; sie schrie sich die Lunge aus dem Hals vor Anstrengung, der verregneten Welt draußen kundzutun, dass sie im Begriff war, ermordet zu werden. Sie schaukelte auf dem Stuhl vor und zurück, und er musste mit einem Satz hinspringen und den Fuß auf eine der Quersprossen zwischen den Beinen stellen, um zu verhindern, dass er umkippte.
    Er legte ihr den Fetzen übers Gesicht.
    Sie hörte auf zu zappeln. Sie wurde schlaff, kämpfte und tobte nicht mehr, sondern wusste, dass es sinnlos war, sich weiter zu wehren.
    »Gut«, sagte er erleichtert. »So, jetzt blas!«
    Sie blies.
    Er zog den Stoff-Fetzen zurück, faltete ihn, legte ihn wieder auf ihr Gesicht und wies sie an, erneut zu blasen. Sie blies ein zweites Mal. Er faltete den Fetzen noch einmal und wischte ihr kräftig die Nase. Sie quiekte,

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