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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Rings um die mittlere Vertiefung des Inselchens, in einen Pfad aus schwarzem Vogelkot gezeichnet, der nun den blassen Felsen freigab, schien der Insel ein Buchstabe oder ein einfaches Piktogramm aufgedruckt zu sein, weiß auf schwarz.
    Es war das hier gebräuchliche Zeichen für »Hilfe!«, und es war nur von einem Flugzeug oder vom Raum aus zu sehen.
     
    Ein paar Jahre nach der Szene im Sommer geschah es, während der Wald in Flammen stand und in der Ferne die Artillerie donnerte, dass ein junger Major der Armee auf einen der Panzer sprang, die seinem Kommando unterstanden, und dem Fahrer befahl, das Fahrzeug durch den Wald zu lenken und einem Pfad zu folgen, der sich zwischen den alten Bäumen hindurchschlängelte.
    Sie ließen die Hülle des eroberten Herrenhauses und die leuchtenden roten Feuer zurück, die seine einst prächtige Einrichtung in Flammen aufgehen ließ; das Feuer spiegelte sich auf dem Wasser des Ziersees wider, beim Wrack eines zerstörten Bootes aus Stein.
    Der Panzer holperte durch den Wald, zerstörte kleine Bäume und kleine Brücken, die über Bäche führten.
    Er sah die Lichtung mit dem Sommerhaus durch die Bäume; sie war von einem flackernden weißen Licht erhellt, wie von Gott.
    Sie erreichten die Lichtung; ein Leuchtgeschoss war in die Bäume darüber gefallen, sein Fallschirm hatte sich in den Ästen verfangen. Es zuckte und sprühte und warf ein reines, grelles, extremes Licht über die ganze Lichtung.
    Im Innern des Sommerhauses war der zierliche Holzstuhl deutlich zu sehen. Die Kanone des Panzers war direkt auf das kleine Gebäude gerichtet.
    »Sir?«, sagte der Panzerfahrer und spähte besorgt durch die Luke herauf.
    Major Zakalwe sah zu ihm hinunter.
    »Feuer!«, befahl er.

 
Acht
     
     
    Der erste Schnee des Jahres legte sich auf die oberen Hänge der gespaltenen Stadt; er schwebte aus dem graubraunen Himmel herab und senkte sich auf die Straßen und Gebäude wie ein Leichentuch, das über einen Toten gedeckt wird.
    Er speiste allein an einem langen Tisch. Auf dem Schirm, den er in die Mitte des hell erleuchteten Raums gerollt hatte, flackerten die Bilder von freigelassenen Gefangenen auf irgendeinem anderen Planeten. Die Balkontüren standen offen, und kleine Flocken des fallenden Schnees wurden hereingeweht. Der dicke Teppich, mit dem der Raum ausgelegt war, war mit einer frostig weißen Schicht überzogen, wo der Schnee liegen geblieben war, und dunkel gefleckt an den Stellen weiter innen, wo die Wärme des Raums die Kristalle wieder zu Wasser geschmolzen hatte. Draußen staffelte sich die Stadt als eine Masse von halb sichtbaren grauen Formen. Die wohlgeordnete Beleuchtung verlief in geraden Linien und Bögen, gedämpft durch die Entfernung und vorbeiziehende Schneeschwaden.
    Die Dunkelheit brach herein wie eine schwarze Fahne, die über die Schlucht geschwenkt wurde; sie zog das Grau von den Rändern der Stadt ab und hob wie zum Ausgleich dafür die einzelnen Lichtflecken von Straßen und Gebäuden besonders hervor.
    Der schweigende Bildschirm und der schweigende Schnee gingen eine Verschwörung ein; Licht warf einen Streifen in das schweigende Chaos des Niederschlags vor dem Fenster. Er stand auf und schloss die Türen, die Fensterläden und die Vorhänge.
     
    Der nächste Tag war strahlend hell und klar, und man konnte die Stadt deutlich sehen, soweit die Kurve der Schlucht es erlaubte; Gebäude und Linien von Straßen und Aquädukten hoben sich scharf ab, als wären sie neu gezeichnet worden, glänzend wie frische Farbe, während das kalte, grelle Sonnenlicht selbst dem dumpfesten grauen Stein ein Glitzern verlieh. Schnee bedeckte die obere Hälfte der Stadt; weiter unten, wo die Temperatur auf einem gleichmäßigeren Stand blieb, war der Schnee als Regen gefallen. Auch hier bot sich der Tag in aller Deutlichkeit dar; er sah vom Wagen aus hinunter und genoss den Anblick. Jede Einzelheit entzückte ihn; er zählte Bogen und Wagen und verfolgte die Linien von Wasserläufen und Straßen und Luftkanälen und Fahrbahnen durch alle Windungen und Verstecke; er betrachtete jedes Aufblitzen von reflektiertem Sonnenlicht, blinzelte zu jedem Punkt eines kreisenden Vogels und nahm jedes zerbrochene Fenster wahr, alles durch die sehr dunkle Brille.
    Der Wagen war der längste und schnittigste von allen, die er gekauft oder gemietet hatte; es war ein Achtsitzer mit einem gewaltigen, wenn auch leistungsschwachen Rotationsmotor, der beide Hinterachsen antrieb, und er hatte das

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