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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Gefährts, und eine noch kleinere Lebenserhaltungseinheit am anderen, und dazwischen, im bauchigen Rumpf des Schiffes, waren die Untoten untergebracht.
    Er ging durch die kalten, dunklen Korridore und betrachtete die Kapseln mit den Schläfern. Sie sahen aus wie Schubladen eines Aktenschrankes. An jeder Einheit leuchtete ein schwaches rotes Licht, sodass er den Eindruck hatte, wenn er in einem der leicht spiralförmigen Gänge stand und die Lichter seines Anzugs ausgeschaltet hatte, dass diese kleinen und steten Funken sich in einem rubinroten, über die Dunkelheit gebreiteten Gitterwerk von ihm wegschlängelten, wie ein unendlicher Korridor von roten Riesensonnen, die ein von Ordnungsliebe besessener Gott angebracht hatte.
    In sanften Spiralwindungen leicht ansteigend, sich wegbewegend von der Wohneinheit zu der Stelle, die ihm immer wie der Kopf des Schiffes vorkam, durchwandelte er dessen stillen, dunklen Rumpf. Im Allgemeinen nahm er den äußersten Korridor, schon um dem Ausmaß des Schiffes gerecht zu werden. Während er aufstieg, ließ die Wirkung der künstlichen Schwerkraft des Schiffes allmählich nach. Schließlich wurde das Gehen immer mehr zu einer Reihe von gleitenden Sprüngen, bei denen es stets leichter war, gegen die Decke zu prallen, als voranzukommen. An den Sargschubladen waren Griffe angebracht; er benutzte sie, wenn das Gehen allzu erfolglos wurde, indem er sich bis zur Bauchmitte des Schiffes voranhangelte, wo sich – wenn er näher kam – eine Wand mit Sargschubladen in einen Boden verwandelte und die andere in eine Decke, je nachdem. Wenn er in einem Radialkorridor stand, hüpfte er hoch und schwebte dem entgegen, was jetzt die Decke war, wobei dann der Radialkorridor als Kamin nach oben führte. Er tastete mit dem Fuß nach dem Griff einer Sargschublade und benutzte die folgende Reihe als Leitersprossen, um so zum Mittelpunkt des Schiffes hinaufzuklettern.
    Durch die Mitte der Abwesende Freunde verlief ein Aufzugschacht, der sich von der Wohneinheit bis zur Antriebseinheit erstreckte. Wenn er in der wirklichen Mitte des ganzen Schiffes war, pflegte er den Aufzug herzuholen, falls er nicht sowieso dort wartete.
    Wenn er dann kam, stieg er ein und schwebte in dem gedrungenen, gelb beleuchteten Zylinder. Er nahm einen Kugelschreiber oder eine kleine Taschenlampe aus dem Anzug, platzierte den Gegenstand genau in die Mitte der Aufzugkabine, ließ ihn dort schweben und beobachtete ihn, um abzuwarten und zu sehen, ob er ihn so haargenau in den Mittelpunkt der gesamten sich langsam drehenden Masse des Schiffes gebracht hatte, dass er sich nicht von der Stelle bewegte.
    Er wurde allmählich sehr geschickt darin und konnte Stunden damit zubringen, einfach nur dazusitzen – manchmal hatte er dabei die Lichter des Anzugs und des Aufzugs eingeschaltet (wenn er einen Kugelschreiber benutzte), manchmal ausgeschaltet (wenn es eine Taschenlampe war) –, den kleinen Gegenstand zu betrachten und darauf zu warten, dass sich seine Geschicklichkeit als seiner Geduld überlegen erwies, mit anderen Worten also darauf zu warten – wie er sich eingestand –, dass seine eine Besessenheit über die andere die Oberhand gewann.
    Wenn der Kugelschreiber oder die Taschenlampe sich bewegte und irgendwann die Wände oder den Boden oder die Decke der Aufzugkabine berührte oder durch die offene Tür davonglitt, bestrafte er sich damit, dass er den ganzen Weg, den er gekommen war, zurückschweben, klettern – diesmal abwärts – und sich ziehen musste. Wenn der Gegenstand unverändert in der Mitte der Kabine blieb, war es ihm erlaubt, mit dem Aufzug zurück bis zur Wohneinheit zu fahren.
     
    »Komm jetzt, Darac«, sagte Erens, während er sich eine Pfeife ansteckte. »Was hat dich dazu gebracht, diese Reise ohne Rückkehr mitzumachen, he?«
    »Ich möchte nicht darüber sprechen.« Er drehte die Ventilation höher, um Erens Drogenqualm wegzublasen.
    Sie befanden sich im Aussichtskarussell, der einzigen Stelle im Schiff, wo man einen direkten Blick auf die Sterne hatte. Hin und wieder kam er hier herauf, öffnete die Jalousien und betrachtete die Sterne, die sich langsam über ihm drehten. Manchmal versuchte er, Gedichte zu lesen.
    Erens besuchte das Karussell auch noch manchmal allein, was Ky schon seit längerer Zeit nicht mehr tat. Erens vermutete, dass Ky Heimweh bekam, wenn er all das schweigende Nichts da draußen sah, all die einsamen Flecken, die andere Sonnen waren.
    »Warum nicht?«, sagte Erens.
    Er

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