Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
an die Säule.
    »Ich fand, Sie sähen ein bisschen einsam aus, wie Sie hier stehen. Wo ist Pequil?«
    »Er spricht mit ein paar kaiserlichen Beamten und versucht, eine Privataudienz zu erwirken.«
    »Ho, er wird Glück haben«, schnaubte Za. »Was halten Sie übrigens von unserem wundervollen Kaiser?«
    »Er wirkt… sehr kaiserlich.« Gurgeh wies stirnrunzelnd auf sein Gewand und berührte das Ohr.
    Za blickte erst belustigt, dann verwirrt drein, und dann lachte er. »Oh, das Mikrophon!« Er schüttelte den Kopf, wickelte zwei weitere Stücke Gebäck aus und aß sie. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Sagen Sie nur, was Sie möchten. Sie werden nicht gemeuchelt werden oder sonst etwas. Es kümmert keinen Menschen. Diplomatisches Protokoll. Wir tun, als säßen keine Wanzen in den Kleidern, und die anderen tun, als hätten sie nichts gehört. Das sind so unsere Spielchen.«
    »Wenn Sie es sagen.« Gurgeh blickte zu dem königlichen Podium hinüber.
    »Im Augenblick gibt es an dem jungen Nicosar nicht viel zu sehen.« Za war Gurgehs Blick gefolgt. »Seine vollständigen kaiserlichen Insignien bekommt er nach dem Spiel. Theoretisch ist er jetzt in Trauer um Molsce. Schwarz ist hier die Trauerfarbe; es hat etwas mit dem Weltraum zu tun, glaube ich.« Er betrachtete den Kaiser eine Weile. »Ein merkwürdiges Arrangement, finden Sie nicht? Diese ganze Macht in den Händen einer einzigen Person.«
    »Mir scheint es ein… potenziell instabiler Weg zu sein, eine Gesellschaft funktionsfähig zu halten«, stimmte Gurgeh ihm zu.
    »Hmm. Natürlich ist alles relativ, nicht wahr? Der Alte, mit dem der Kaiser gerade spricht, besitzt wahrscheinlich mehr echte Macht als er, wissen Sie.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja«, erläuterte Za, »das ist Hamin, Rektor des Candsev-Kollegs. Nicosars Mentor.«
    »Sie wollen doch nicht behaupten, dass er dem Kaiser sagt, was er tun soll?«
    »Nicht offiziell, aber…« – Za rülpste – »Nicosar ist in dem Kolleg aufgewachsen, hat als Kind und als Apex dort sechzig Jahre verbracht und das Spiel von Hamin gelernt. Hamin hat ihn großgezogen, ihn aufgebaut, ihn das Spiel und alles andere gelehrt, was er selbst wusste. Als nun der alte Molsce seine Fahrkarte ins Land des Schlafs erhielt – übrigens nicht vor der Zeit – und Nicosar sein Amt übernahm, wer wird wohl der erste Mensch gewesen sein, an den er sich um Rat wandte?«
    »Ich verstehe«, sagte Gurgeh und nickte. Langsam bereute er, dass er sich nicht umfassend mit Azad, dem politischen System, statt ausschließlich mit Azad, dem Spiel, beschäftigt hatte. »Ich dachte, in den Kollegien lerne man nur das Spiel.«
    »In der Theorie ist das auch alles, aber tatsächlich gleichen die Kollegien eher adligen Familien. Das Imperium ist in einem Punkt der üblichen Machtweitergabe durch Erbfolge überlegen. Man benutzt das Spiel, um für die Leitung der Show aus der gesamten Bevölkerung die klügsten, kühnsten und im Manipulieren geschicktesten Apices zu rekrutieren, statt eine stagnierende Aristokratie durch Heirat mit frischem Blut zu versorgen und das Beste zu hoffen, wenn die Gene durcheinander geschüttelt werden. Das ist ein sehr praktisches System; das Spiel löst eine Menge Probleme. Ich prophezeie ihm eine lange Dauer: Kontakt glaubt, es werde eines Tages auseinander fallen, aber das bezweifele ich. Diese Leute könnten uns überleben. Sie sind eindrucksvoll, finden Sie nicht? Geben Sie es schon zu, dass Sie beeindruckt sind!«
    »Unaussprechlich«, antwortete Gurgeh. »Aber ich würde gern mehr sehen, bevor ich ein endgültiges Urteil fälle.«
    »Sie werden letzten Endes beeindruckt sein; Sie werden die wilde Schönheit des Imperiums anerkennen. Das ist mein Ernst! Bestimmt! Wahrscheinlich werden Sie dann hier bleiben wollen. Oh, und diesen blöden Roboter, den man Ihnen als Kindermädchen mitgegeben hat, beachten Sie am besten überhaupt nicht. Diese Maschinen sind alle gleich, sie möchten, dass alles überall so ist wie in der Kultur – Friede und Liebe und Langeweile. Sie haben keine…« – Za rülpste – »Antenne für das…« – er rülpste noch einmal – »Kaiserreich. Glauben Sie mir. Ignorieren Sie die Maschine.«
    Gurgeh überlegte noch, was er darauf antworten sollte, als sich eine glänzend gekleidete Gruppe aus Apices und Frauen näherte und ihn und Za umringte. Ein Apex trat aus der lächelnden, leuchtenden Gruppe vor, machte vor Gurgeh eine Verbeugung, die dieser übertrieben fand, und sagte zu Za:

Weitere Kostenlose Bücher