Das Kultur-Spiel
einen Schritt zurück. »Miss Dutleystochters Vater ist dort drüben bei dem hinteren Musikpodium, Gurgee, falls es Ihnen nichts ausmacht, die junge Dame zurückzubringen, wenn Sie Ihr Gespräch beendet haben…?«
Pequil ging, und Gurgeh lächelte auf den Scheitel der jungen Frau nieder. Er räusperte sich. Das Mädchen blieb stumm. Gurgeh sagte: »Ich… äh… ich dachte, nur das Zwischengeschlecht… nur die Apices spielten Azad.«
Der Blick des Mädchens wanderte bis zu seiner Brust hoch. »Nein, Sir. Es gibt ein paar fähige weibliche Spieler, natürlich untergeordneten Ranges.« Sie hatte eine weiche, müde klingende Stimme. Immer noch hob sie das Gesicht nicht zu ihm, deshalb musste er die Stelle ihres Kopfes ansprechen, wo er die weiße Haut durch das schwarze, zusammengebundene Haar schimmern sah.
»Ah, ich hatte es für möglich gehalten, dass es… verboten wäre. Ich bin froh, dass dem nicht so ist. Spielen auch Männer?«
»Ja, Sir. Niemandem ist es verboten zu spielen. Das ist in der Verfassung festgelegt. Es ist nur für beide…« Die Frau brach ab und hob den Kopf mit einem plötzlichen, Gurgeh bestürzenden Blick. »Für beide minderwertigen Geschlechter ist es schwieriger zu lernen, weil alle großen Kollegien keine anderen Studenten als Apices aufnehmen dürfen.« Sie schlug die Augen wieder nieder. »Das soll natürlich verhindern, dass die Studenten abgelenkt werden.«
Gurgeh wusste nicht recht, was er sagen sollte. »Ich verstehe«, war alles, was ihm fürs Erste einfiel. »Hoffen Sie… bei den Spielen gut abzuschneiden?«
»Falls ich gut abschneide – falls ich das zweite Spiel in der Hauptserie erreiche –, dann hoffe ich, in den Verwaltungsdienst eintreten und reisen zu können.«
»Nun, ich hoffe, Sie haben Erfolg.«
»Ich danke Ihnen. Unglücklicherweise ist das nicht sehr wahrscheinlich. Zu dem ersten Spiel treten, wie Sie wissen, Zehnergruppen an, und wenn man als die einzige Frau gegen neun Apices spielt, gilt man als Ärgernis. Für gewöhnlich scheidet so eine Person als Erste aus, um Platz auf dem Brett zu schaffen.«
»Hmm. Man hat mich gewarnt, etwas Ähnliches könnte mir widerfahren.« Gurgeh lächelte auf den Kopf der Frau nieder und wünschte, sie würde ihn von neuem heben.
»O nein.« Jetzt hob sie ihn, und Gurgeh fand es seltsam beunruhigend, als sie ihn mit ihrem flachen Gesicht so direkt ansah. »Das würde man mit Ihnen nicht machen; es wäre unhöflich. Man weiß nicht, wie schwach oder wie stark Sie sind. Man weiß…« Sie sah wieder nach unten. »Man kennt meine Fähigkeiten, deshalb ist es keine Missachtung, wenn ich vom Brett entfernt werde, damit man mit dem Spiel weiterkommt.«
Gurgeh sah sich in dem großen, lärmerfüllten vollen Ballsaal um, wo die Leute sprachen und tanzten und die Musik dröhnte. »Lässt sich da gar nichts machen?«, fragte er. »Ließe es sich nicht arrangieren, dass in der ersten Runde zehn Frauen gegeneinander spielen?«
Sie sah immer noch nach unten, aber die Wölbung ihrer Wange ließ vermuten, dass sie lächelte. »Doch, Sir. Aber ich glaube, bei den Großen Spielen sind noch nie zwei Vertreter der geringeren Geschlechter in die gleiche Gruppe gekommen. In all den Jahren hat es bei der Auslosung kein solches Ergebnis gegeben.«
»Ah«, sagte Gurgeh. »Und bei den Einzelspielen, einer gegen einen?«
»Sie zählen nicht, solange man in den früheren Runden nicht siegreich gewesen ist. Bei Übungen in Einzelspielen hat man mir schon oft gesagt, ich hätte… viel Glück gehabt. Das muss wohl so sein. Aber andererseits stimmt es wirklich, denn mein Vater hat einen guten Herrn und Gemahl für mich ausgewählt, und selbst wenn ich im Spiel keinen Erfolg habe, werde ich gut verheiratet werden. Was kann eine Frau mehr verlangen, Sir?«
Gurgeh wusste nicht, was er sagen sollte. Er spürte ein merkwürdiges Kitzeln im Hals und räusperte sich zweimal. Am Ende fand er keine anderen Worte als: »Ich hoffe, Sie werden gewinnen. Ehrlich, das hoffe ich.«
Die Frau sah kurz zu ihm hoch, dann wieder zu Boden. Sie schüttelte den Kopf.
Nach einer Weile schlug Gurgeh vor, sie zu ihrem Vater zurückzubringen, und sie stimmte zu. Sie öffnete den Mund nur noch ein einziges Mal.
Sie gingen durch den großen Saal, bahnten sich ihren Weg durch die Gruppen von Leuten zu der Stelle, wo ihr Vater wartete, und dabei passierten sie eine Stelle zwischen einer großen kannelierten Säule und einer mit Kampfszenen bemalten Wand. In dem
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