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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Augenblick, als sie vor dem ganzen übrigen Saal verborgen waren, streckte die Frau eine Hand aus und berührte sein Handgelenk, während sie einen Finger der anderen Hand auf eine bestimmte Stelle an der Schulter seiner Robe drückte und flüsterte: »Sie siegen. Sie siegen!«
    Dann waren sie bei ihrem Vater angelangt, und nachdem er wiederum erklärt hatte, wie gut es ihm auf Eä gefalle, verließ Gurgeh die Familiengruppe. Die Frau sah ihn nicht noch einmal an. Ihm war keine Zeit geblieben, ihr zu antworten.
    »Geht es Ihnen gut, Jernau Gurgeh?«, fragte Flere-Imsaho, der den Mann entdeckte, wie er an einer Wand lehnte und ins Leere starrte, als sei er einer der livrierten männlichen Diener.
    Gurgeh wandte sich dem Roboter zu. Er legte den Finger auf die Stelle an der Schulter seines Gewandes, die das Mädchen gedrückt hatte. »Sitzt da die Wanze?«
    »Ja«, antwortete die Maschine. »Das ist richtig. Hat Shohobohaum Za Ihnen das gesagt?«
    »Hmm, das habe ich mir gedacht.« Gurgeh löste sich von der Wand. »Wäre es unhöflich, jetzt zu gehen?«
    »Jetzt?« Der Roboter ruckte ein Stück zurück und summte laut. »Nun, ich glaube nicht… Fehlt Ihnen auch wirklich nichts?«
    »Ich habe mich nie besser gefühlt. Gehen wir!« Gurgeh setzte sich in Marsch.
    »Sie machen einen erregten Eindruck. Geht es Ihnen auch wirklich gut? Amüsieren Sie sich nicht? Was hat Za Ihnen zu trinken gegeben? Sind Sie nervös wegen des Spiels? Hat Za etwas gesagt? Liegt es daran, dass niemand Sie berühren mag?«
    Gurgeh schritt durch die Menschenmenge davon und ignorierte den summenden, knisternden Roboter an seiner Schulter.
    Als sie den großen Ballsaal verließen, kam ihm zu Bewusstsein, dass er, abgesehen davon, dass sie irgendjemandes Tochter genannt wurde, den Namen der Frau vergessen hatte.

Gurgeh sollte zwei Tage nach dem Ball zu seinem ersten Azad-Spiel antreten. Er verbrachte die Zeit, indem er mit der Begrenzungsfaktor ein paar Manöver in allen Einzelheiten ausarbeitete. Er hätte das Gehirn des Moduls benutzen können, aber das alte Kriegsschiff hatte einen interessanteren Spiel-Stil. Die Tatsache, dass die Begrenzungsfaktor mehrere Jahrzehnte, nach Realraumlicht gerechnet, entfernt war, bedeutete eine merkliche Verzögerung – das Schiff selbst reagierte immer augenblicklich auf einen Zug –, aber für Gurgeh war es trotzdem so, als habe er einen außerordentlich schnellen und talentierten Gegner.
    Einladungen zu gesellschaftlichen Veranstaltungen nahm er keine mehr an. Er hatte Pequil mitgeteilt, sein Verdauungssystem brauche Zeit, um sich den reichhaltigen Speisen des Imperiums anzupassen, und das klang nach einer akzeptablen Entschuldigung. Er lehnte sogar eine Besichtigungstour durch die Hauptstadt ab.
    In diesen Tagen sah er niemanden außer Flere-Imsaho, der die meiste Zeit in seiner Verkleidung auf der Brüstung des Hotels saß, leise summte und Vögel beobachtete. Er lockte sie mit Krumen an, die er auf dem Rasen des Dachgartens ausstreute.
    Hin und wieder kam Gurgeh auf das grasbewachsene Dach hinaus und blickte über die Stadt hinweg.
    Die Straßen und der Himmel waren voller Verkehr. Groasnachek war wie ein großes, flaches, stacheliges Tier, nachts überflutet von Lichtern und bei Tag dunstig von seinem eigenen angehäuften Atem. Die Stadt sprach mit einem großen, verworrenen Chor von Stimmen, einem allgegenwärtigen, niemals aussetzenden Hintergrunddröhnen von Motoren und Maschinen und dem gelegentlichen donnernden Geräusch eines Flugzeugs. Das ständige Jammern, Brüllen, Trillern, das Schreien der Sirenen und Alarmanlagen waren über das Gewebe der Stadt verstreut wie Schrapnell-Löcher.
    Architektonisch, dachte Gurgeh, war der Ort eine hoffnungslose Stilmischung, und er war viel zu groß. Manche Gebäude stiegen hoch in den Himmel, manche dehnten sich breit aus, aber jedes einzelne war anscheinend ohne Berücksichtigung der anderen entworfen. Die Gesamtwirkung hätte von interessanter Vielfalt sein können, doch sie war scheußlich. Immer wieder musste Gurgeh an die Kleiner Schurke denken, auf der zehnmal so viele Leute lebten wie in dieser Stadt, auf engerem Raum und weitaus eleganter, obwohl der größte Teil des Raumvolumens in dem Fahrzeug von Anlagen zum Schiffsbau, Maschinen und anderen technischen Anlagen eingenommen wurde.
    Groasnachek war so gut geplant wie Vogeldreck, dachte Gurgeh, und die Stadt bildete ihren eigenen Irrgarten.
     
    Es kam der Tag, an dem das Spiel beginnen sollte.

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