Das Kumo-Kartell
stehen musste. Er hörte das Klirren und Bersten von Glas.
Seine Sicht klärte sich. Das Terrassenfenster war zerschlagen. Die Frau war hindurchgesprungen, rannte auf die Büsche hinter dem Haus zu, schlug einen Haken und katapultierte sich mitten ins Gesträuch. Decker feuerte blind in die Zweige hinein.
Die beiden Agents setzten der Frau nach, die geduckt auf den Parkway zurannte, der auch um diese Zeit noch stark befahren war, sodass Cotton nicht schießen konnte, ohne Unschuldige zu gefährden. Fassungslos beobachtete er, mit welch unglaublicher Geschicklichkeit die Frau sich zwischen den Autos hindurchschlängelte. Einem Wagen, dem sie nicht mehr ausweichen konnte, sprang sie mit einem Salto über die Motorhaube hinweg – und landete direkt vor einem Bus.
Cotton hielt unwillkürlich die Luft an und wartete auf das hässliche Geräusch des Aufpralls. Doch die Frau schien keine Schrecksekunde zu kennen. Sie ließ sich längs zur Fahrbahn fallen, drückte sich flach auf den Boden und kam so zwischen den Rädern des Busses zu liegen, dass er über sie hinwegfuhr, ohne sie zu berühren. Der Busfahrer bremste so abrupt, dass die nachfolgenden Wagen ineinanderfuhren. Chaos brach aus.
Cotton sah, wie die Frau aufsprang und über den Zaun hinter der zweiten Fahrspur hechtete, der den Parkway East vom eigentlichen Parkway trennte, wo der Verkehr noch dichter war und die Autos erheblich schneller fuhren. Aber auch das hielt die Frau nicht auf. Wieder wich sie wendig den Fahrzeugen aus, sprang über die zwei Fuß hohe gemauerte Leitplanke auf den Parkway West und Sekunden später auf die Mauer auf der anderen Straßenseite. Dort verschwand sie im Schatten der dahinter stehenden Bäume.
»Verdammt!«, fluchte Cotton und griff hastig zum Smartphone. »Zeerookah, versuch über Satellitenüberwachung eine schwarz gekleidete Frau zu finden, die über den Hudson Parkway Richtung West 246th gelaufen ist und entweder die 246th benutzt oder zur 239th läuft.«
»Sofort.«
Decker wählte die Nummer von Mr High. »Sir, Itani ist tot. Die Attentäterin war noch vor Ort, aber sie ist uns entkommen. Zeerookah versucht, sie über Satellit zu finden. Sobald er sie hat, werden wir sie weiter verfolgen. Falls wir sie nicht fassen sollten, besteht nach meiner Einschätzung die Gefahr, dass sie die drei noch lebenden Zielpersonen töten wird.«
»Ich teile diese Einschätzung, Agent Decker.«
Cotton konnte Mr Highs Stimme ebenfalls über sein Smartphone hören. Demnach musste er sich in Zeerookahs Computerraum aufhalten.
»Tut mir leid, Leute«, meldete Zeerookah. »Eine schwarz gekleidete Frau ist auf den Satellitenbildern nirgends zu sehen. Ich habe das gesamte Gebiet auf dem Schirm. Da ist keine Frau in Schwarz. Möglicherweise ist sie in einem der Häuser verschwunden.«
Wo sie in Ruhe abwartete, bis sich die Aufregung gelegt hatte. Danach würde sie aus ihrem Loch kriechen und in aller Seelenruhe verschwinden. Selbst wenn die Gegend abgeriegelt wurde und Hunderte von Polizisten von Haus zu Haus eindrangen, würde das nichts bringen. Ehe Straßensperren errichtet waren, wäre die Frau längst verschwunden. Cotton fluchte in sich hinein. Bei dieser Frau bekam der Begriff »kaltblütig« ganz neue Dimensionen.
»Ich sorge dafür, dass die letzten drei mutmaßlichen Zielpersonen zum Verhör gebracht werden«, sagte Mr High. »Sehen Sie sich bei Itani um, ob Sie irgendetwas finden, das uns eine Spur zu der Frau liefern könnte. Danach kommen Sie zum HQ zurück.«
»Ja, Sir.« Decker beendete ihr Gespräch, und auch Cotton unterbrach die Verbindung.
*
Der Anblick von Itanis Leiche, die inzwischen vollständig in dem ausgelaufenen Aquariumswasser lag, ließ Cottons Wut noch höher auflodern. Er schlug mit der Faust gegen die Wand. Ein scharfer Schmerz fuhr ihm bis in die Schulter. Erst jetzt merkte er, dass sein rechter Handrücken einen heftigen Bluterguss aufwies und geschwollen war. Er blickte sich um, suchte nach dem Gegenstand, mit dem die Attentäterin ihn entwaffnet hatte. Neben einem der toten Fische entdeckte er eine etwa anderthalb Zentimeter durchmessende Metallkugel. Er hob sie auf. Für eine so relativ kleine Kugel war sie ziemlich schwer. Er konnte von Glück sagen, dass sie ihm nicht die Knochen gebrochen hatte.
»Ich möchte gern wissen, auf welcher Droge diese Frau ist, dass sie so reagieren kann und weder Schmerzen noch Angst zu kennen scheint«, sagte Decker. »Aber für eine Droge waren ihre Reaktionen zu
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