Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
Nacht hierbleiben? Ich will morgen zu Aedith, du weißt doch, wo sie wohnt, nicht wahr?«
»Sicher weiß ich das, ich habe ihr noch Stoff zu liefern. Leider ist er schon bezahlt, und ich habe nicht einen Ballen vernünftigen Tuches mehr, den ich ihr geben könnte.«
»Sie ist deine Schwester«, versuchte Ellen, ihn zu trösten.
»Und würde mich, ohne mit der Wimper zu zucken, an den Galgen liefern, wenn ihr Mann nicht so ein vernünftiger Mensch wäre!«
»Du bist hart, Kenny«, tadelte Ellen ihn.
»Ich bin weich und biegsam wie eine Feder im Vergleich zu ihr, aber du wirst ja sehen. Egal, warum du morgen zu ihr willst, sie wird dich behandeln wie den letzten Dreck. Das tut sie mit allen Menschen. Ich werde dich zu ihrem Haus führen, aberich gehe nicht mit dir hinein.« Er wandte sich ab und murmelte kopfschüttelnd: »Nein, das werde ich nicht tun.«
Obwohl Kenny ihr die Kammer des Großvaters mit dem breiten Bett, vielen Kissen und der weichen Daunendecke zugewiesen hatte, schlief Ellen schlecht. Sie hatte zu viel über ihr Vorhaben nachgedacht. Was war, wenn Aedith ihr tatsächlich nicht half? Und was sollte mit Kenny geschehen? Sie würde ihn ermutigen müssen, nach Orford zu kommen. Vielleicht konnte er doch ein wenig in der Schmiede mithelfen, schließlich war er Osmonds Sohn und würde sicher nicht völlig nutzlos sein. – Am Morgen wusch sie sich Gesicht, Hals und Hände, suchte in ihrem Bündel nach dem kleinen, mit Kräutern gefüllten Säckchen und reinigte sich die Zähne. Mit einem Schluck Wasser hinterließen die Kräuter einen angenehmen Geschmack im Mund. Ellen zog ihr grünes Kleid an. Sie hatte damit gerechnet, auch zu Aedith gehen zu müssen, und es mitgenommen, um ihre Schwester ein wenig milder zu stimmen. Das Kleid entsprach zwar nicht der Mode, aber der Stoff schimmerte schön, und es war im Gegensatz zu ihren sonstigen Kleidern sauber und hatte keine Brandlöcher. Ellen kämmte ihre Locken mit den Fingern und band sie mit einem grünen Band zusammen.
Kenny begleitete sie bis zu Aediths Haus. Er sah scheußlich aus. Zu viel Wein und die Geldsorgen hatten tiefe Schatten unter seinen geschwollenen Augen hinterlassen. »Ich warte da hinten auf dich. Ich glaube nicht, dass es lange dauern wird.« Kenny lachte bitter auf. »Egal, was du von ihr willst, sie wird dich anhören und dann rausschmeißen«, prophezeite er.
Ellen ging hinüber zu dem großen Tor und klopfte. Sofort kam ein sauber gekleideter Knecht und fragte höflich nach ihrem Begehr. Er ließ Ellen in den Hof treten und musterte sie von oben bis unten. Er schien zu bezweifeln, dass sie tatsächlich die Schwester seiner Herrin war. Er bat sie zu warten und eilte ins Haus. Es dauerte nicht lange, und Aedith kam heraus.
»Ellen!« sagte sie lächelnd, aber ihre Stimme klang frostig wieeine Winternacht. Sie ging ein paar Schritte auf ihre Schwester zu. »Lass dich ansehen …« Sie nahm Ellen bei den Händen und schaute an ihr herunter. »Nun, so gefällst du mir jedenfalls besser als in den Jungenkleidern!«, sagte sie spitz.
»Du siehst sehr gut aus, Aedith!« Ellen bemühte sich um einen herzlichen Ton.
»Das versteht sich von selbst, schließlich tue ich auch einiges dafür. Glücklicherweise habe ich keine Kinder; die ruinieren einem nur die Figur!«, sagte sie schrill.
Kenny hat Recht, dachte Ellen, sie ist noch genau so eine Ziege wie früher.
»Ich komme, um dich um Hilfe zu bitten. Nicht für mich«, fügte sie schnell hinzu, als die Augen ihrer Schwester sich zu ärgerlichen kleinen Schlitzen verengten.
»Wenn Kenny, dieser Lümmel, dich geschickt hat, dann muss ich dich enttäuschen. Er bekommt keinen Penny mehr von mir. Ich habe meine letzte Bestellung im Voraus bezahlt, weil er mich darum gebeten hat. Das Tuch werde ich wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekommen.« Aedith war einen Schritt zurückgetreten und starrte Ellen an, als sei sie eine Verräterin.
»Ich habe von Kennys Schwierigkeiten gehört. Vermutlich hast du sogar Recht mit deiner Befürchtung, was das Tuch angeht, aber ich bin nicht seinetwegen hier, sondern wegen Osmond.«
»Was will der denn?« Aedith klang verächtlich.
Ellen musste sich sehr zusammennehmen, um ihrer Schwester nicht vors Schienbein zu treten.
»Er ist blind, Aedith. Ich möchte ihn zu einem Starstecher bringen. Hast du schon einmal gesehen, wie sie Blinden das Augenlicht wiedergeben?«
»Pah«, sagte Aedith nur.
»Der Starstecher verlangt viel Geld. Ich arbeite für
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