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Das Labor der Esper

Das Labor der Esper

Titel: Das Labor der Esper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
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Erinnerung kam zurück. Sie war nicht mehr Klein-Babs, sondern Barbara Graham, einundzwanzig Jahre alt, Ehebrecherin mit einem gescheiterten Selbstmordversuch, Patientin in einem Nervenkrankenhaus …
    Das Krankenhaus – was war mit dem Krankenhaus los? Sie hatte zusammen mit zwei anderen Patientinnen in einem Zimmer geschlafen. Wo war sie jetzt? Und wer kam durch die Tür? Großmutter? Nein! Großmutter war längst tot, begraben mit dem Zauber der Kindheit … Wer also?
    Die Tür ging auf, und eine Frau sah ins Zimmer. Sie war klein, und ein dick gestrickter brauner Pullover hüllte ihren unförmigen Körper ein. Dazu trug sie eine unmögliche lange Hose in Blaßrosa. Das Gesicht über dem Rollkragen des Pullovers war kalkig weiß, fast clownhaft, mit einem knallroten Mund und dichten, schwarzen Augenbrauen. Das Ganze war von wundervoll gepflegtem, pechschwarzem Haar umrahmt.
    »Oh, Sie sind wach, ja?« fragte die Frau in einem verblüffenden Bariton.
    »Ja, ich …« Barbara zögerte und starrte sie an. Sie wußte nicht, ob sie über die groteske Frau lachen oder schreien sollte.
    »Ich bin Rosa«, sagte die Frau. »Er schläft noch. Aber ich wecke ihn bald, wenn das Frühstück fertig ist.«
    »Was mache ich hier?« fragte Barbara und merkte, daß ihre Stimme dünn und piepsig im Vergleich zu der anderen klang.
    Die Frau legte den Kopf schief. »Darüber müssen Sie mit ihm reden. Er erzählt mir nie viel.«
    »Mit ihm?«
    »Mit Viktor natürlich«, erwiderte Rosa ungeduldig. »Also, da drüben im Schrank sind ein paar Kleider von mir. Suchen Sie sich etwas heraus. Ich mache inzwischen weiter.« Sie drehte sich abrupt um und schloß die Tür hinter sich.
    Barbara starrte einen Moment die Tür an und kämpfte vergeblich gegen das aufsteigende Gefühl der Verlorenheit an. Was machte sie hier? Und wer war er, dieser mysteriöse Viktor, von dem die Frau sprach? Zusammen mit diesen Fragen waren nun wieder die entsetzlichen Erlebnisse von Yearby in ihrem Gehirn. War sie nun vollkommen verrückt – und hatte sich ihr krankes Gehirn diese Phantasiewelt geschaffen? Sie begann zu zittern. Ihre Glieder zuckten unkontrolliert, und ihre Zähne klapperten.
    Und dann riß sie der Ärger aus ihrer hilflosen Furcht. Sie warf die warmen Laken zur Seite, schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Kalte Luft drang auf sie ein und erhöhte das Gefühl der Wirklichkeit. Ihre Nerven beruhigten sich. Sie war nun einmal hier, wenn sie auch nicht wußte, weshalb, und sie konnte zusammenhängend denken. Sie mußte die Dinge nehmen, wie sie kamen. Hinterher konnte sie sie ordnen. Sie hatte irgendwo gelesen, daß die Furcht vor dem Wahnsinn schlimmer war als der Wahnsinn selbst. Nur die Normalen hatten Angst davor – die Verrückten wußten nichts von ihrem Zustand.
    Sie öffnete den Schrank und durchsuchte seinen Inhalt. Die meisten Sachen waren alt, aber sauber. Schließlich wählte sie einen dunkelblauen Pullover mit V-Ausschnitt und einen grauen Glockenrock. Der Rock war um Taille und Hüfte viel zu weit, aber mit Hilfe von ein paar Sicherheitsnadeln, die sie auf dem winzigen Frisiertisch fand, konnte sie ihn einigermaßen zusammenraffen.
    Das Make-up war schwieriger. Sie besaß keines, und sie konnte auch im Zimmer keines finden. Auf dem Frisiertisch lagen nur ein Kamm und eine Bürste. Abgesehen von ein paar dunklen Schatten unter den Augen sah sie nicht schlimm aus. Merkwürdigerweise fragte sie sich, was er, Viktor, von ihr halten würde.
    Sie strich sich noch einmal über die Augenbrauen und sah dann das zerwühlte Bettzeug an. Nein, das konnte warten. Zuerst mußte sie sich umsehen. Vielleicht konnte ihr Rosa auch etwas Make-up leihen. Sie drängte eine leichte Unsicherheit zurück und legte die Hand auf den Türgriff. Er gab sofort nach. Erst jetzt merkte sie, daß sie eine verschlossene Tür erwartet hatte.
    Ein kurzer enger Korridor führte in eine kompakte kleine Küche. Spülbecken, Kühlschrank und Herd standen an einer Seite. Durch das Fenster über dem Spülbecken sah man auf eine sonnige, schneebedeckte Weihnachtskarten-Landschaft hinaus. Erst in diesem Moment erkannte Barbara das, was ihr von Anfang hätte klar sein müssen: Sie befand sich nicht in einer kleinen Hütte, sondern in einem Wohnwagen. Zu ihrer Linken war eine offene Schiebetür, durch die man in ein kleines Zimmer mit einem Tisch und roten Lederbänken sehen konnte. Am anderen Ende dieses Raumes war wieder eine Tür. Sie war verschlossen, und vermutlich

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