Das Labor der Esper
winzig, daß er sie gar nicht zwingen konnte, auf ihn zu hören.
Noch einmal schrie er seine trotzige Drohung in die Leere. Und der Blitz schlug zu.
Etwas Hartes schloß sich wie ein Schraubstock um sein Bewußtsein. Es war draußen auf der telepathischen Ebene und konnte sich aus dem Griff nicht befreien. Dann, allmählich, als die Psi-Energie verstärkt wurde, spürte er, wie sein Gehirn unerbittlich immer weiter von dem Körper weggerissen wurde, der auf dem Bett lag. Er hatte so etwas noch nie erlebt, und er konnte nur hoffen, daß die Verbindung nicht plötzlich riß.
In seiner Verzweiflung benutzte er Kräfte, von deren Existenz er bisher kaum etwas gewußt hatte. Er schlug mit aller Psi-Kraft, die er aufbringen konnte, gegen den Schraubstock, der ihn festhielt. Sein Widersacher wurde offensichtlich von dem Vergeltungsschlag überraschend getroffen, denn er entspannte sich einen Moment, um den Schlag abzuwehren. Peters telepathische Kräfte kehrten mit einem heftigen Ruck in seinen Körper zurück.
Er lag steif und wie unter einem ungeheuren Druck auf dem Bett, während der andere gegen seinen hastig errichteten Schutzschirm schlug.
Von der Persönlichkeit des anderen hatte er immer noch keinen Eindruck bekommen. Aber schließlich unterhält sich ein Mensch auch nicht mit dem Käfer, den er gerade zertreten will. Er spürte, daß er seinen Schutzschild nicht aufgeben konnte, um die Frage zu stellen: Wer? Was bist du? Der andere hätte ihn sofort überwältigt und die Herrschaft über seinen Körper und Geist übernommen. Er konnte sich nur noch tiefer hinter die telepathische Barriere ducken.
Der Druck verstärkte sich wieder, vervielfachte sich, riß an jeder Faser seines Bewußtseins. Jeden Moment konnte ihn nun die brennende Psi-Energie des anderen verschlingen. Seine Gedankenränder bröckelten, verwischten sich. Die Identität Peter Morays wurde zu einem winzigen Punkt, der mit allen Kräften versuchte, sein Abwehrnetz aufrechtzuerhalten. Er wußte, daß es unter dem unmenschlichen Druck zusammenbrechen mußte. So war also das Ende der Welt – kein Wimmern und Schreien, nur Leere, drückendes Nichts …
Abrupt war der tödliche Druck weg. Er wartete, kauerte lange Zeit in seiner angeschlagenen Festung. Dann endlich, als der Druck nicht wiederkehrte, senkte er einen Teil der Barriere und gestattete sich einen Blick auf seine Umgebung.
Er lag auf dem Bett in seinem Hotelzimmer. Sein Körper schmerzte, und in seinem Gehirn brannte immer noch die Erinnerung an die Todesqual, aber er lebte. Es war kein Sieg – doch er hatte durchgehalten. Er wußte von dem anderen nicht mehr als zu Beginn des Kampfes, aber er hatte über sich selbst eine Menge erfahren. Bei dem Kampf hatte er zu Kräften Zuflucht genommen, die ihm bis dahin unbekannt gewesen waren. Nun gehörten sie für immer ihm, sie standen ihm in Zukunft zur Verfügung. Wenn er keinen neuen Angriff abwehren mußte, bevor er das neue Bewußtsein geübt hatte, bestand Aussicht, daß er seine Herausforderung wiederholen konnte.
Doch jetzt wurde ihm mit jeder Sekunde deutlicher bewußt, wie erschöpft und schwach er sich fühlte. Die Psi-Kräfte, die er hinausgeschleudert hatte, forderten ihren Preis. Er sank in einen tiefen, bleiernen Schlaf …
14
Sonnenlicht strömte durch ein kleines Fenster, das sich hoch in der Wand gegenüber ihrem schmalen Bett befand. Der Raum war winzig. Tapeten mit überlebensgroßen roten Rosen und leuchtendgrünen Blättern bedeckten die Wände. In so einem Zimmer mußte Oscar Wilde gestorben sein, dachte sie träge. Sie hatte nichts an, lag aber in einem Berg von Bettlaken. Obenauf war eine Spitzendecke gebreitet, in der sich das Rosenmotiv der Tapeten wiederholte. Irgendwie wußte sie, daß sie sich auf dem Lande befand. Es war wie früher das erste Aufwachen in der Hütte ihrer Großmutter, wenn sich die Sommerferien noch wie eine ganze Kette goldener Sonnentage vor ihr erstreckten. Sie lag da und unterdrückte bewußt die Erinnerung an die Wirklichkeit, die in ihre Gedanken eindringen wollte. Sie träumte warm und glücklich von ihrer Kindheit.
In der Nähe briet jemand Speck. Der Duft kitzelte in der Nase und entfachte Hunger, aber sie blieb ganz still liegen. Frühstück gab es an jenem ersten Morgen immer im Bett – knusprigen Speck, große gelbe Bauerneier, selbstgebackenes Brot und frischen …
Sie wurde abrupt aus ihrem Traum gerissen, als sich der Türgriff bewegte. Sie setzte sich auf, und die
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