Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labor der Esper

Das Labor der Esper

Titel: Das Labor der Esper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
Vom Netzwerk:
führte sie in Viktors Schlafzimmer.
    Sie drehte sich um und entdeckte die Eingangstür des Wohnwagens. Rosa trampelte durch den halb geschmolzenen Schnee eines schmalen Kiesweges. Sie trug schwarze Gummistiefel und hatte einen roten Wasserbehälter aus Kunststoff in der Hand.
    Barbara wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Küche zu. Konnte sie ihren Gastgebern etwas helfen? Ihren Gastgebern … ihren Entführern! Sie erkannte mit plötzlichem Entsetzen, daß sie immer noch wie in einem Traum gelebt hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie und warum sie hier bei diesen fremden Leuten war. Sie ballte entschlossen die Hände – es wurde Zeit für ein paar Erklärungen. Von ihrer eigenen Entschlossenheit angefeuert, betrat sie den Raum hinter der Küche. Sie ging vorbei am Tisch, an den roten, gepolsterten Bänken, und stand dicht vor der geschlossenen Tür, als ihr Mut zu sinken begann. Sie hatte keine Ahnung, was für ein Mann Viktor war und wie er auf ihr plötzliches, unerwartetes Eindringen reagieren würde. In ihren Ohren sauste das Blut, als sie sich dicht an die Tür beugte. Von drinnen war kein Laut zu hören.
    Ihre Hand zitterte, als sie nach der Klinke griff. Wenn sie eine Gegenüberstellung erzwingen wollte, dann mußte es jetzt sein. Rosa kam sicher bald zurück, und dann war die Gelegenheit vorbei.
    Ein animalischer Geruch schlug ihr entgegen, als sie die Tür öffnete. Sie kämpfte die Übelkeit nieder und trat ein. Das Zimmer war klein und sah ebenso wie das ihre aus – einschließlich der Rosentapeten. Sein Besitzer war nur als undeutliche Form unter einem Kissenberg zu erkennen. Er atmete rasselnd. Viktor hatte offensichtlich einen festen Schlaf.
    Wieder zögerte sie, aber nur einen Moment lang. Jetzt konnte sie sich nicht mehr zurückziehen. Es wäre zu demütigend gewesen.
    »Viktor!« sagte sie fest. »Wachen Sie auf, Viktor! Ich muß mit Ihnen reden!«
    Es kam ein schnüffelnder Laut aus dem Bettenberg. Die Kissen gerieten in Bewegung, als sich der Schläfer aufzurichten versuchte. Barbara hielt den Atem an, als eine Hand erschien. Sie war klein und rosig, mit schön geformten kleinen Fingern – die Hand eines Babys oder eines sehr kleinen Kindes. Sie schob die Laken zur Seite und enthüllte Viktors Kopf und den oberen Teil seines Körpers.
    Der Kopf war eiförmig und mit kurzem, dichtem schwarzem Haar bewachsen – er erinnerte an ein Seehundfell. Das Haar endete tief an der massigen Stirn, die die übrigen Gesichtszüge nach unten zu verdrängen schien. Die hervortretenden braunen Augen, die kleine Nase und der winzige Mund waren alle im unteren Viertel des Gesichtes zusammengeschoben. Das Ganze sah merkwürdig unfertig aus – wie die Skizze eines nicht sonderlich zeichenbegabten Kindes.
    Viktor trug ein himmelblaues Nachthemd, das mit kleinen roten Blumen bestickt war, aber es konnte nicht verbergen, daß auch der Rumpf eiförmig war. Von seinem Hals war kaum etwas zu sehen. Er hatte keine Schultern im gewöhnlichen Sinn – man erkannte nur ein schwaches Abwärtsgleiten. Die kindhaften Arme kamen aus Schlitzen seitlich des Nachthemds. Sie streckten sich nach ihr. Ein sabbernder, maunzender Laut entrang sich seinem kleinen Mund.
    Barbara schüttelte sich vor Ekel. Das Ding war obszön – zu obszön, als daß sie es ertragen konnte.
    Sie begann zu schreien.
    Und dann, ganz plötzlich, erstickte der Schrei in ihrem Hals. Ruhe durchflutete ihre Gedanken und vertrieb die Panik und den Ekel, als seien sie nie dagewesen. Der Mensch vor ihr war nicht mehr fremdartig oder grotesk – nur Viktor, den sie liebte. Viktor, der sie in seiner ungemeinen Hilflosigkeit mehr brauchte als sonst jemand auf der Welt; der sie hergebracht hatte als seine Freundin, Gefährtin, Helferin …
    Sie durchquerte den kleinen Raum und setzte sich an den Rand des schmalen Bettes. Sie lächelte sanft, als sie in seine braunen Augen sah. »Verzeih mir, Viktor, ich muß dich erschreckt haben, als ich so plötzlich hereinkam.«
    Sein winziger, liebenswerter Mund bewegte sich, aber nur ein wenig Speichel rann über das Kinn. Sie wischte ihn mit dem Zipfel des Bettlakens sanft ab, mit der liebevollen Fürsorge einer Mutter. Sie wollte nur das: ihn hegen, ihm das Leben schön machen.
    Schöne Barbara … das ist unwichtig. Gut, daß du da bist … Eine Stimme hatte in ihrem Kopf gesprochen, stark, aber sanft. Sie vermittelte ein Bild, das ganz anders war als das Wesen hier vor ihr. Es fiel ihr nicht schwer, Viktor auch so zu sehen –

Weitere Kostenlose Bücher