Das Labyrinth der Zeit
nicht vertiefen, aber zwei nicht zusammenhängende Zeilen aus dem Notizbuch haben wir jedenfalls zu Gesicht bekommen. In der einen ging es darum, Loraine Cotton hier in Rum Lake ausfindig zu machen. Die andere stammte aus einer früheren Textpassage und lautete: ‹Einige von uns befinden sich bereits unter euch›.»
Dyer verengte unwillkürlich die Augen. Diese Aussage hörte er offenbar zum ersten Mal.
«Keine Ahnung», sagte er schließlich. «Wie gesagt, all das hat Garner für sich behalten. Er hat bloß gesagt, dass es sehr wichtig wäre. So wichtig wie die entscheidendsten Momente der Weltgeschichte. Momente, bei denen es darauf ankommt, alles richtig zu machen.» Er schwieg kurz. «Und sie hätten auch alles richtig hinbekommen. Anfangs lief ja alles nach Plan. Die neun wussten alles, was sie wissen sollten, und wurden immer mächtiger. Niemand sonst wusste irgendetwas. Am Ende, spätestens Anfang 2016, hätten alle über ausreichend Einfluss verfügt, um Sie, Mr. Chase, bei Tangent einzuschleusen, unter welchem Vorwand auch immer. Ihr Einfluss wäre enorm gewesen – Garner selbst war einer der neun. 1978 hatte er gerade seine militärische Laufbahn bei den Navy SEALs beendet und spielte eigentlich mit dem Gedanken, in seinem erlernten Beruf als Jurist zu arbeiten. Die Anweisungen ließen ihn umsteuern in Richtung Politik. Alles lief so weit glatt. Und dann kam plötzlich etwas dazwischen.»
«Skalar», sagte Paige mit leicht gequältem Unterton.
Dyer nickte. «Als Ihr Vater zufällig von dem Notizbuch erfuhr, von Wards Frau, lief alles aus dem Ruder. Er leierte die Ermittlung an, die schon bald im Sande verlief, und ging im Jahr darauf stattdessen das ehrgeizige Projekt an, diese zweite Pforte zu erschaffen. Schon als die Sache noch in den Kinderschuhen steckte, hatten bereits einige der neun davon Wind bekommen. Und da sie Peters Beweggründe ohne weiteres nachvollziehen konnten, machten sie ihm auch keinen Vorwurf. Dass er alle Hebel in Bewegung setzen würde, um den Inhalt der Botschaft zu erfahren, war nur zu verständlich. Musste er in Anbetracht der Geheimhaltung nicht schlimmste Befürchtungen hegen? Garner und die anderen beratschlagten, ob sie mit ihm in Kontakt treten sollten, um ihn über alles einzuweihen, rückten dann aber von der Idee ab. Was, wenn er mit ihrem Ziel nicht einverstanden wäre? Dann hätten sie ihren Vorteil leichtfertig verspielt, für nichts und wieder nichts. Also warteten sie stattdessen ab und begnügten sich damit, dieses Projekt so lückenlos wie nur möglich im Auge zu behalten. Wie das Ergebnis aussehen würde, wussten sie zwar nicht, aber dass dabei kein zweiter Ruben Ward herauskommen würde, stand für sie felsenfest.»
Er zuckte die Achseln. «Letzten Endes haben sie sogar erheblichen Einfluss darauf ausgeübt. Peter ließ den neuen Ionenspeicherring von seinen Technikern nämlich an einem geheimen, sicheren Ort konstruieren, einige hundert Meilen von hier entfernt – die Anlage konnte in ihre Einzelteile zerlegt und problemlos anderswohin transportiert werden, sobald er einen geeigneten Standort gefunden hatte. Wobei die Suche nach diesem Standort unter höchster Geheimhaltung ablief. Niemand in Washington erfuhr auch nur ein Sterbenswörtchen darüber. Um das Projekt und vor allem das Ergebnis nicht völlig aus den Augen zu verlieren, brachten die neun schließlich auf indirektem Weg diese Schachtanlage hier ins Gespräch, über eins der beteiligten Ingenieurbüros. Loraine Cotton kannte die Mine nämlich noch aus der Zeit, als sie als Biologin hier in der Gegend geforscht hatte.»
Dyer deutete mit einer Kopfbewegung auf das rote Licht gleich nebenan. «1987 haben sie den Speicherring hier in etwa drei Monaten eingebaut und eingeschaltet. Mit welchem Ergebnis, wissen Sie ja inzwischen. Garner und die anderen dachten, damit wäre die Sache nun erledigt. Aber das war ein Irrtum. Noch während er alle Hände voll damit zu tun hatte, die Lage hier halbwegs unter Kontrolle zu bringen, leitete Peter erste Schritte ein, um anderswo einen weiteren Versuch zu starten. Und danach notfalls noch einen und noch einen, immer so weiter. Die Ungewissheit darüber, was Ward in den drei Monaten getan hatte, beunruhigte ihn so sehr, dass er wohl niemals freiwillig aufgegeben hätte. Deshalb setzten Garner und die anderen schließlich alles auf eine Karte. Ein paar von ihnen arrangierten ein Treffen mit Peter und erzählten ihm die ganze Geschichte.»
«Wie hat er es
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