Das Labyrinth der Zeit
wir.»
25
Ein Gang unter der Dritten Kerbe.
Sie konnten ihn bereits von außen sehen, ehe sie das Untergeschoss überhaupt betreten hatten. Mittig in der Hausrückwand befand sich der bogenförmige Zugang zu einem Korridor im Kellergeschoss, gut sichtbar für jeden streunenden Hund, der sich auf das rückwärtige Grundstück verirrte. Zu der Tür führte eine Treppe aus Beton hinab, die zwischen den Grundmauern aus Betonziegeln angelegt war. An der Mauer neben der Tür war ein Metallschild angebracht, in das die Adresse eingeprägt war:
720 Main Street
Apt. 1
Apt. 2
Im Inneren glomm schwach der orangefarbene Schein einer Sicherheitsbeleuchtung, die irgendwo im Dunkel hinter der Tür brannte. Der Fußboden dort unten bestand ebenfalls aus Beton, vermutlich aus demselben Guss, mit dem auch die Treppe angelegt worden war.
Mit einem Mal begriff Travis, warum Jeannie gerade so amüsiert gelächelt hatte. Und er wusste nun auch, was sie unter dem Restaurant vorfinden würden.
Nichts.
Beide Apartments waren unbewohnt, und zwar anscheinend schon länger, als wäre ihre Nutzung als Wohnunterkünfte irgendwann untersagt worden; beide verfügten jeweils nur über ein winziges Fenster, ganz oben in Deckennähe, aus dem es bei Notfällen so gut wie kein Entkommen gab.
Beide Behausungen waren vom Grundriss her identisch: Küche und Badezimmer auf der einen Seite, ergänzt durch einen größeren Raum, der einst wohl als Wohn-, Speise- und Schlafzimmer zugleich diente. Wie ein etwas großzügigeres Hotelzimmer, ohne Teppichboden und ohne Aussicht allerdings. Beide Apartments waren vollkommen leer. Nicht einmal Kartons mit irgendwelchem Gerümpel hatten sich hier angesammelt – bloß in Apartment 2 standen in einer Ecke ein paar alte, rissige und offenbar längst nicht mehr benutzte Wäschekörbe.
Sonst gab es hier unten nichts, was als Gang hätte bezeichnet werden können. Kein Tunnel war hinter den alten Kühlschränken verborgen – wovon sie sich mit eigenen Augen überzeugten. An keiner Wand hing irgendein Spiegel, der an geheimen Scharnieren beiseitegeschwenkt werden konnte. Der Korridor selbst war das Einzige, worauf sich der Eintrag in dem Notizbuch beziehen konnte.
«Ein Gang unter der dritten Kerbe» , zitierte Bethany. «Und der nächste Satz fing an mit Suchen Sie dort .» Sie dachte kurz nach. «Suchen Sie dort nach einem dieser Apartments? Das würde keinen Sinn ergeben, denn nach diesen Türen muss man ja nun wirklich nicht lange suchen, wenn man erst den Korridor betreten hat.»
«Suchen Sie dort nach Herrn XYZ in Apartment eins», sagte Travis. Das klang schon einleuchtender. Eine andere sinnvolle Ergänzung wollte ihm beim besten Willen nicht einfallen. «Vielleicht ist Ward hier mit irgendwem zusammengetroffen. Oder wurde angewiesen, sich hier mit dieser Person zu treffen – jemandem, der damals in einem dieser Apartments wohnte.»
Ehe er weiterreden konnte, hörten sie auf einmal Jeannies Stimme durch die Decke direkt über ihnen dringen: Sie schrie irgendjemanden an. Sie standen gerade in dem zweiten Apartment, ungefähr unterhalb der Barhocker, auf denen sie kurz zuvor am Tresen gesessen hatten. Was Jeannie da genau schrie, konnte Travis nicht verstehen, aber sie war wütend, das war nicht zu überhören. Sie verstummte etwa drei Sekunden lang, bevor sie ihre Tirade fortsetzte. Eine andere Stimme war dazwischen nicht zu hören gewesen, was nur den Schluss zuließ, dass sie gerade telefonierte – vermutlich mit demselben Gesprächspartner wie schon zuvor, dem sie wohl abermals Dampf machte: Beweg’ endlich deinen Hintern hierher und bring uns aus dieser Stadt fort. Nach einem letzten, ultimativ klingenden Crescendo beendete sie das Telefonat offensichtlich, und es kehrte wieder Stille ein.
Paige wandte sich Travis zu. «Zu wem könnten sie Ward geschickt haben, wer erwartete ihn hier?» Sie verengte leicht die Augen. «Einer von ihnen?»
Travis dachte über diese Möglichkeit nach. Wandte sich um und betrachtete die dunklen Winkel des Apartments, das wenig Ähnlichkeit mit dem Bild hatte, das sich bei früherer Gelegenheit vor seinem geistigen Auge eingestellt hatte: von weitläufigen Nobel-Penthouses, hoch über den Nervenzentren der Welt. Aber das war nur ein spontaner Gedanke gewesen, eine Assoziation, die jeder Grundlage entbehrte, weil sie rein gar nichts über die Gegner wussten, mit denen sie es aufzunehmen hatten. Macht, das wusste er, agierte meist in anderer Gestalt. Im Schutz
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