Das Labyrinth der Zeit
Pfeil zielt.
Er richtete den Lauf auf den Beifahrer und drückte ab. Spürte den ratternden Rückstoß, als die MP ihr Dauerfeuer ausspie. Sah, wie der Kopf des Typen zerplatzte, und fuhr mit dem Lauf im Uhrzeigersinn herum, um den Rücksitz unter Beschuss zu nehmen, wobei er die Köpfe der Männer dort mit je mindestens fünf Kugeln traf. Er ließ den Abzugshebel los und riss die Waffe, deren Gurt unverändert den Torso des Hünen umschlang, wieder aus der Lücke – der Mann hatte sich inzwischen so weit erholt, dass er wieder nach der MP zu greifen suchte. Travis zielte direkt auf ihn und feuerte. Die letzten vier Kugeln im Magazin drangen knapp unter seinem Kiefer ein. Der Hüne sackte schlaff in sich zusammen und kippte um, mit solcher Wucht, dass Travis die Waffe an dem Gurt aus der Hand gerissen wurde.
Stille, bis auf das Tuckern des laufenden Automotors.
Travis blickte die Main Street entlang. Von den anderen Humvees war noch keine Spur zu sehen.
Dann hob er den Blick und spähte in die Ferne, zu Raines’ Haus, das oberhalb der Geschäftshäuser vor ihm eben noch zu sehen war, und sah, wie die drei Spähposten dort gerade völlig durchdrehten. Sie packten einander am Arm und deuteten hektisch zum Schauplatz der Gewalt hinunter. Eilig zückten sie ihre Funkgeräte und schrien hinein.
Höchste Zeit, abzuhauen.
Travis drehte sich um und blickte zu Paige und Bethany, die wie abgemacht an der Einmündung der Gasse gewartet hatten. Paige wirkte relativ gefasst, während Bethany die Erschütterung ins Gesicht geschrieben stand.
«Jetzt kommt es auf jede Sekunde an», sagte Travis.
Paige nickte, schob Bethany vorwärts und rannte ihr dann nach.
Travis öffnete die hintere Wagentür auf der Fahrerseite, und Bethany stieg als Erste ein, ungeachtet der Leichen – deren Blut nur nach hinten gespritzt war, an die rückwärtigen Seitenfenster und in den Laderaum hinter der Rückbank. Paige kletterte nach ihr hinein, und Travis saß schon am Steuer, knallte die Tür neben sich zu und stellte den Schalthebel des Automatikgetriebes in den Vorwärtsgang. Kurz erwog er, ob er stattdessen zurücksetzen und in die nächste Querstraße einbiegen sollte, dachte dann aber an die mit Funkgeräten bewaffneten Spähposten oben am Haus und wusste, dass das sinnlos war. Vor den anderen Humvees gäbe es für sie kein Entkommen. Er trat aufs Gaspedal, und der Wagen schoss die Main Street hinauf, auf die Straße am hinteren Ende zu, die zu Raines’ Haus hochführte.
«Nehmt den Typen da hinten die Waffen ab», sagte Travis.
«Sind schon dabei», erwiderte Paige.
Travis hob die rechte Hand und streifte dem toten Beifahrer neben sich die MP5 von der Schulter. Er legte sich die Waffe auf den Schoß und klopfte die Taschen des Toten nach weiterer Munition ab. In einer großen Seitentasche am linken Hosenbein wurde er fündig und förderte gleich zwei Ersatzmagazine zutage.
Drei Blocks noch bis zum Ende der Main Street, auf das sie mit hundert Sachen zurasten. Eine Sekunde später tauchte vor ihnen der erste der anderen Humvees auf. Bog um die Ecke herum, an der Travis am Ende abbiegen wollte. Dicht dahinter folgte der nächste Wagen, und dann noch vier weitere, bis die Fahrzeugkolonne komplett war und mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit auf Travis zuhielt, eins hinter dem anderen.
Hätten die Fahrer noch Zeit zum Überlegen gehabt, wären sie womöglich nicht als Kolonne auf ihn zugekommen, sondern nebeneinander, wie eine Phalanx von Reitern. Eine solche Barriere hätte Travis nie und nimmer durchstoßen können; weil sein Fahrzeug exakt dasselbe Gewicht hatte wie die anderen Humvees. In den wenigen verbleibenden Sekunden jedoch, in denen die Entfernung zwischen ihnen und Travis unaufhaltsam auf null schrumpfte, behielten die Fahrer die Kolonne einfach bei und rasten hintereinander direkt auf ihn zu wie bei einem improvisierten Feiglingsspiel, bei dem es darum ging, wer als Erster die Nerven verlor und bremste.
So stellte es sich aus ihrer Sicht womöglich dar.
Travis riss das Lenkrad im allerletzten Moment nach rechts und scherte um den Anführer herum aus. Bekam dabei mit, wie die übrige Kolonne ins Wanken geriet, während einzelne Humvees abbremsten oder Schlenker mal zur einen, mal zur anderen Seite machten – kleine Bewegungen, an denen abzulesen war, wie verwirrt die Fahrer waren. Doch Travis raste an der Kolonne mit einem solchen Tempo vorbei, dass er all das nur ganz flüchtig und gleichgültig registrierte.
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