Das Labyrinth des Maal Dweb
hatte oder sich lediglich über die üble Veränderung ihres Liebsten unter dem Einfluss der Wesenheit entsetzte. So oder so: Offensichtlich war sie ihm völlig gefügig. Allmählich schalt ich mich einen Narren, sie nach Bowman eingeladen zu haben – doch sollte sich die ganze Bitternis meiner Reue erst noch offenbaren.
Eine Woche verstrich, in der Amberville tägliche Ausflüge mit seiner Verlobten unternahm – und in dieser Zeit nahmen die verblüffende, unheimliche Entfremdung und Verschwiegenheit des Malers noch zu. Das Entsetzen, die Hilflosigkeit und die unterwürfige Haltung des Mädchens verstärkten sich ebenfalls. Ich konnte mir nicht vorstellen, wohin das noch führen sollte, doch aufgrund der unheilvollen Veränderung seines Charakters befürchtete ich, dass Amberville auf irgendeine Art der Geistesstörung oder noch Schlimmerem zustrebte. Meine Vorschläge für Zerstreuungen und Landschaftsausflüge wurden von dem Paar abgelehnt. Einige direkt fragende Vorstöße in Avis’ Richtung stießen auf nahezu feindselige Zurückhaltung und brachten mich zu der Überzeugung, dass Amberville sie zum Schweigen verpflichtet – und vielleicht sogar auf umtriebige Weise meine Einstellung zu ihm im falschen Licht dargestellt hatte.
»Sie verstehen ihn einfach nicht«, sagte sie immer wieder. »Er hat eben ausgeprägte Eigenarten.«
Die ganze Geschichte konnte einen in ihrer Undurchsichtigkeit regelrecht in den Wahnsinn treiben, doch verstärkte sich mehr und mehr mein Eindruck, das Mädchen werde auf mittel- oder unmittelbare Weise immer tiefer in das Gewebe unheimlicher Halluzinationen hineingezogen, in dem sich der Künstler verfangen hatte.
Ich vermutete, dass Amberville mehrere neue Bilder von der Wiese angefertigt hatte; aber er zeigte sie mir nicht. Er sprach nicht einmal darüber. Im Laufe der Zeit nahmen meine eigenen Eindrücke von jenem Ort eine unerklärliche Lebhaftigkeit an, der schon fast etwas von einer Halluzination anhaftete. Gegen meinen Willen festigte sich meine unglaubliche Vorstellung einer dem Gelände innewohnenden boshaften, sogar vampirischen Macht oder Persönlichkeit zu einer uneingestandenen Überzeugung.
Der Ort quälte mich auf grauenvolle, jedoch verführerische Weise wie ein Hirngespinst. Ich verspürte eine drängende morbide Neugier, ein ungesundes Verlangen, ihn wieder aufzusuchen und, so denn möglich, sein Geheimnis auszuloten. Oft kam mir Ambervilles Ansicht über einen Genius Loci in den Sinn, auch dachte ich an die Hinweise über einen mit jenem Fleck in Verbindung stehenden Spuk in menschlicher Gestalt. Zudem rätselte ich darüber, was der Künstler bei jener einen Gelegenheit gesehen hatte, als er bis nach Einbruch der Nacht auf der Wiese geblieben und von Entsetzen getrieben zu meinem Haus zurückgekehrt war. Scheinbar hatte er es trotz seiner offensichtlichen Hingabe an die namenlose Verlockung nicht gewagt, dieses Experiment zu wiederholen.
Abrupt und ohne Vorwarnung stellte sich das Ende ein. Ich hatte eines Nachmittags geschäftlich in der County-Verwaltung zu tun gehabt und kehrte erst spät am Abend zurück. Voll stand der Mond über den kieferdunklen Hügeln. Eigentlich hatte ich erwartet, Avis und den Maler in meinem Wohnzimmer anzutreffen, aber dort fand ich sie nicht. Mein Faktotum, Li Sing, berichtete mir, dass sie zum Abendessen zurückgekehrt seien. Nur eine Stunde später habe Amberville in aller Stille das Haus verlassen, während das Mädchen sich in ihrem Zimmer aufhielt. Als sie einige Minuten später herunterkam und feststellte, dass er nicht mehr da war, wurde Avis äußerst unruhig und verließ ebenfalls das Haus – vermutlich, um ihm zu folgen, jedoch ohne Li Sing zu verraten, wohin sie ging oder wann sie zurückkehren würde. Diese Ereignisse hatten sich vor drei Stunden zugetragen, und keiner der beiden hatte sich seither blicken lassen.
Während ich Li Sings Bericht vernahm, beschlich mich eine schwarze und eisige Vorahnung des Unheils. Ich war mir nur allzu sicher, dass Amberville der Versuchung eines zweiten nächtlichen Besuches jener unheimlichen Wiese nachgegeben hatte. Irgendeine verborgene Anziehungskraft musste das Grauen seiner unbekannten ersten Erfahrung überwiegen. Avis schien zu wissen, was er plante, und hatte aus Angst um seine geistige Gesundheit – oder um sein schieres Leben – die Verfolgung aufgenommen. Mehr und mehr überkam mich die Gewissheit, dass irgendeine Gefahr die beiden bedrohte – eine grässliche,
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