Das Labyrinth des Maal Dweb
drei Sonnen von Xiccarph ein sagenhaft kühnes Bravourstück gewesen. Doch Tiglari, sein Sehsinn so ausgeprägt wie der eines nachtaktiven Pterodaktylus, schleuderte das mit dem Gewicht beschwerte Ende seines Kletterseils zielsicher um Felskanten und fangzahnartige Vorsprünge. Anschließend hangelte er sich gewandt wie ein Affe an dem Seil von einem unsicheren Halt zum nächsten empor. Schließlich erreichte er ein schmales Gesims unterhalb der letzten Steilwand. Von diesem Standort aus war es ein Leichtes, die Kugel des Kletterseils um den gebogenen Ast eines Baumes mit krummsäbelförmigen Blättern zu schleudern, der aus dem Garten Maal Dwebs über den Abgrund hinauswuchs.
Der Stamm bog sich geschmeidig herab unter Tiglaris baumelndem Gewicht, und der Gipfelstürmer musste den scharfkantigen, halb metallischen Blättern ausweichen, die nach ihm zu hauen schienen. Kurz darauf klomm er über die Felskante und stand geduckt, wie verborgener Gefahr gewärtig, auf der schrecklichen, von Legenden umrankten Hochebene. Hier, so ging das Gerücht, hatte der halb dämonische Zauberer und Eingeweihte aller Wissenschaften ohne Hilfe von menschlicher Hand die höher gelegenen Zinnen des uralten Berges zu Mauern, Kuppeln und Türmen behauen und ringsum weitflächig planiert. Die so entstandene Ebene hatte er mit magisch erzeugtem Lehmboden bedeckt und diesen bepflanzt mit sonderbaren, giftigen Bäumen von fernen Planeten jenseits der Sonnen von Xiccarph sowie mit Blumen, die geradewegs aus einer üppig strotzenden Hölle herzustammen schienen.
Doch in Wahrheit wusste man nur wenig über diese Gärten. Der allgemeine Glaube ging dahin, dass die Pflanzen, die nördlich, westlich und südlich der Palastmauern gediehen, weniger todbringend waren als jene, die auf das Morgenrot der drei Sonnen blickten. Ein großer Teil dieser letztgenannten Vegetation war der Legende zufolge in Form eines nahezu grenzenlosen Labyrinths angelegt und beschnitten worden, dessen verderblich-raffinierte Anlage kein Entkommen zuließ: ein Irrgarten, dessen verschlungene Gänge die tödlichsten und furchtbarsten Fallen enthielten, die tückischsten Hinterhalte, die der arglistige Daedalus jemals ersonnen hatte. Eingedenk dieses Labyrinths hatte Tiglari das Gelände von der dem dreifachen Sonnenaufgang entgegengesetzten Seite betreten.
Außer Atem und mit schmerzenden Armen von der langen, beschwerlichen Kletterei, verbarg Tiglari sich zusammengekauert in den Schatten des Gartens. Er sah sich umgeben von schweren Blüten, die sich in giftiger Trägheit aus dem weinfarbenen Zwielicht herabneigten oder sich andrängten mit klaffenden Kelchen, welche betäubende Düfte verströmten oder den Pollen des Irrsinns versprühten. Abnorm und vielgestaltig schienen hinter diesen Blumen die Bäume Maal Dwebs sich zu scharen, deren Schattenrisse das Blut zum Stocken brachten oder das Hirn mit Albträumen schlugen. Tiglari vermeinte zu ahnen, dass sie geschlossen auf Böses gegen ihn sannen.
Manche ragten hoch empor wie die verdrehten Leiber gefiederter Schlangen oder geflügelter Drachen. Andere kauerten dicht über dem Boden und streckten strahlenartige Äste aus, die an die borstigen Beine gewaltiger Spinnen gemahnten. Sie alle schienen schleichend gegen Tiglari vorzurücken, ihn heimlich einzukreisen. Sie schwenkten die grausigen Pfeilspitzen ihrer Dornen, die Sensenklingen ihrer Blätter. Sie verbargen die vier Monde hinter einem Flechtwerk arabesker Bedrohung. Aus unendlichem Wurzelgeschling ragten sie auf, verborgen hinter massigem Laubwerk, das einer Front verschränkter Schilde glich.
Mit unendlicher Vorsicht und Berechnung arbeitete der Jäger sich voran und hielt Ausschau nach einem Durchschlupf in der waffenstarrenden Phalanx pflanzlicher Monstrositäten. Seine stets wachen Sinne waren unnatürlich angespannt durch eine quälende Sorge und geschärft von einem übermächtigen Hass. Doch nicht sich selbst galt die Sorge, sondern dem Mädchen Athlé, der von ihm Angebeteten und Schönsten seines Stammes, die an eben jenem Abend allein über den Dammweg aus Korund und die Stufen aus Porphyr gegangen war, nachdem der Ruf des Maal Dweb sie ereilt hatte.
Tiglaris Hass hingegen war der eines mutigen Mannes und zornentflammten Liebenden, und er galt dem allmächtigen, allseits gefürchteten Tyrannen, den kein Mensch je zu Gesicht bekommen und dessen Wohnstätte keine Frau je wieder verlassen hatte; der mit ehern tönender Stimme sprach, die nach seinem
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