Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
Sie könnten noch viele Stunden bei Tageslicht weitermarschieren, aber das nächste Nachtlager bereitete ihm Sorgen. Auf der weiten Grasebene zu schlafen, hielt er für keine gute Idee. Niemals konnten sie hier am Bach so viel Holz sammeln und mitschleppen, dass ein Feuer die ganze Nacht brennen würde.
Jeb schützte seine Augen mit der flachen Hand gegen die Sonne und blickte in die Richtung, in die sie weiterziehen mussten. Ein dunkler Fleck zeichnete sich am Horizont ab. Dahinter musste es einen weiteren Wald geben. Jeb versuchte, einen Blick auf den Stern zu erhaschen. Er lief zum Saum der kleinen Baumgruppe. Da, da war er. Der Stern stand hell und klar über einer weiteren Bergkette, die sich in weiter Ferne aus der Ebene erhob. Der dunkle Baumgürtel, den er soeben entdeckt hatte, verlief in einiger Entfernung fast parallel zu ihrem Weg über die Ebene. Wenn sie sich beeilten, konnten sie den Wald vielleicht in der Dämmerung erreichen und am nächsten Tag ihren Marsch durch die Ebene fortsetzen.
Was für eine seltsame Landschaft: Nichts als Gras und Wald und Berge. Wie weit ist der Wald wohl entfernt?
Zwar würde es kein Problem sein, den Wald zu erreichen, aber sie würden viel Zeit verlieren, denn am nächsten Tag mussten sie denselben Weg wieder zurückgehen. Oder den mühsamen Weg durch den Wald nehmen. Insgesamt ein großer Zeitaufwand, von der damit verbundenen Kraft ganz zu schweigen. Die Ersten würden schon erschöpft sein, bevor sie den Bach am nächsten Tag erneut erreichten. Und selbst dann wäre der Stern noch einen guten Tagesmarsch entfernt. Wenn die Botschaft mit ihrem Ultimatum von zweiundsiebzig Stunden recht hatte.
Jeb blickte zum Stern hinauf. Weit entfernt funkelte er ihm zu, als höhnte er: Du erreichst mich nicht.
Doch, das werde ich.
Neben ihm tauchte Mischa auf. Bisher hatte Jeb kaum eine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu reden, daher betrachtete er ihn neugierig. Mischa war fast so groß wie er selbst, vielleicht einen halben Kopf kleiner. Sein kurzes Haar erinnerte an ein goldgelbes Weizenfeld. Sein Gesicht hatte klare Züge, eine gerade Nase und schmale Lippen. Das Auffälligste an ihm aber waren seine strahlend blauen Augen. Intensiv und klar blickten sie ihn an.
Neben Mischa sehen wir anderen wie grobe Klötze aus, dachte Jeb. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich eines der Mädchen für ihn interessierte. Mischa versprühte Charme, selbst hier in der Hitze der Ebene konnte man sich ihm kaum entziehen.
Ob Jenna sich…
Er verbot sich den Gedanken sofort. Er rief sich ins Gedächtnis, dass sie alle ums Überleben kämpften. Wenn man der Botschaft glauben konnte, würden die meisten von ihnen sogar mit Sicherheit sterben. Weil ihr verloren seid.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Mischa ihn.
Jeb sah, dass eine winzige weiße Narbe Mischas rechte Augenbraue teilte. Mischa war doch nicht so perfekt, wie er auf den ersten Blick wirkte.
»Ich überlege, ob wir hier unser Nachtlager aufschlagen sollen. Wir sind lange marschiert und die meisten von uns sind erschöpft. Außerdem gibt es nur wenige Alternativen: entweder eine Nacht im Freien verbringen oder bis zum Wald dort hinten weitermarschieren.«
»Zu dem Wald dahinten? Zu weit weg. Ich denke nicht, dass Tian und Mary es dorthin schaffen.«
Jeb spürte, dass er schon die ganze Zeit angestrengt die Stirn runzelte. Vielleicht war es eine Angewohnheit aus seinem früheren Leben. Wie war das, mein früheres Leben?
»Was ist mit Tian?«
»Hat sich eine Blase gelaufen. Ziemlich großes blutiges Ding an der Ferse. Sie muss aufgestochen werden, sonst platzt sie und dann holt er sich womöglich eine Infektion, mit der er niemals weiterlaufen könnte.«
Infektion? Wieder so ein Wort, dessen Bedeutung er sofort kannte, aber das sich zuvor nicht in seinem Gedächtnis befunden hatte.
»Woher weißt du das alles?«
Mischa grinste. »Ehrliche Antwort? Ich hab keinen blassen Schimmer.«
»Okay, dann bleiben wir hier und kümmern uns um Tians Fuß, außerdem hat wahrscheinlich sowieso niemand Lust, heute noch weiterzugehen. Hier ist ein guter Platz und wir können ein Feuer machen.«
»Ich werde einen Dorn besorgen und Tians Blase aufstechen. Wenn mir Mary etwas von ihrem Verbandsmaterial gibt, kann ich seinen Fuß verbinden, sodass er sich nicht entzündet.«
Jeb begriff, dass auch Mischa verstanden hatte, dass jeder in dieser Wildnis auf den anderen angewiesen war. Schnell warf er einen Blick zu León hinüber. Der
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