Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Mauer kaum noch vorhanden. Die Verluste bei den Spaniern waren so hoch, daß zum Beispiel in der Kompanie Sotomayor von ursprünglich zweihundertachtzig Mann nur noch zwölf imstande waren zu kämpfen.
Im Verlauf des Tages kam es zu zahllosen Angriffen und Gegenangriffen an der Burg, die sechsmal den Besitzer wechselte. Die Verteidiger konnten ihre beste Waffe – die Arkebusen – nicht nutzen, weil strömender Regen das Pulver naß gemacht hatte. Außer drei Hauptleuten und einem Fähnrich waren alle Offiziere der Burg gefallen.
Am Morgen des siebten August konnten die Türken endlich die Burg nehmen, indem sie über die von den Leichen ihrer Gefallenen gefüllten Gräben stürmten. Don Francisco de Sarmiento wurde am Oberschenkel verwundet, kämpfte aber weiter an der Spitze seiner Truppen.
Als schließlich kaum noch sechshundert Mann lebten (wiewohl keineswegs unverletzt), gab der Maestre den Befehl, sich in eine zweite Burg zurückzuziehen, unten in der Stadt. Sie versuchten dies in guter Ordnung, konnten aber nicht hineingelangen, weil die Bewohner der Stadt die Zugänge vermauert hatten.
Die Lage wurde immer verzweifelter. In den Trümmern um die untere Burg kämpften die Männer bis zum bitteren Ende.
Einige Offiziere, darunter der mehrfach ausgezeichnete Hauptmann Machin de Munguía, wurden gefangengenommen und zu Khaireddin gebracht. Er befahl den letzten Spaniern, sich ihm zu ergeben; dafür zahlte er den Janitscharen, die an ihnen blutige Rache nehmen wollten, fünfzehntausend Dukaten.
Von den Soldaten, Marketendern, Frauen und Burschen lebten noch etwa achthundert, darunter vierhundert Soldaten, die meisten verwundet. Khaireddin versprach dem die Freiheit, der ihm den Kopf von Sarmiento brächte, aber dieser war unter so vielen Toten nicht zu finden. Zuletzt hatte man ihn gesehen, wie er allein zu Pferde den Feind angriff, mit drei Pfeilwunden in Kopf und Gesicht.
Die wichtigsten Gefangenen waren die Hauptleute Luis de Haro, Masquefä, Machin de Munguía und Cerón, dazu Fähnrich Garci Mendez und der zum Bischof der Stadt erhobene ehemalige Kaplan des Andrea Doria, Jeremias.
Unter den Gefangenen bewunderte Khaireddin den Hauptmann Machin de Munguia besonders; dieser hatte sich in der Seeschlacht von Preveza und nun bei der Verteidigung von Castelnuovo ausgezeichnet. Khaireddin pries sein Verhalten, forderte ihn auf, zu den Türken überzutreten und bot ihm einen hohen Posten in seinem Heer an. Der Wortlaut von Machins Antwort ist nicht bekannt, aber Khaireddin ließ ihm noch am selben Abend den Kopf abschlagen. Ohne Beimengung von Bewunderung geschah dies auch dem zum Bischof erhobenen ehemaligen Kaplan des Andrea Doria und allen anderen Geistlichen.
Insgesamt fielen bei der Belagerung von Castelnuovo um die dreitausendfünfhundert Spanier und fast zwanzigtausend Türken.«
Dies, ungefähr jedenfalls, ist der Bericht, den ein französischer Gesandter verfaßte. Ich hege den Verdacht, daß es sich um einen Priester handelte, aber das ist nicht sicher. Abschriften waren wenige Tage später bereits in Dubrovnik zu lesen, und sie werden wohl auch nach Rom, Venedig, Neapel, Wien und Valladolid gelangt sein. Bekim und ich stellten in Dubrovnik Mutmaßungen über die Worte an, mit denen capitán Machin de Munguia seinen Kopf gegen Khaireddins Angebot setzte, aber es wäre müßig, die harmlosen niederzuschreiben, und unziemlich, die groben aufzuführen.
Überdies gab es wichtigere Fragen zu erörtern. Bekim trieb sich durch jene Teile der südöstlichen Vororte, in denen einige Albaner und Griechen lebten; ich ließ mich wieder bei den Musikern nieder, spielte abends mit ihnen im Haus oder bei Valerio und bat sie um Hilfe bei der Beantwortung einiger Fragen. Tagsüber irrte ich durch das rechtwinklige Labyrinth von Ragusa, suchte Katona auf, stellte fest, daß Meister Nikola noch immer nicht heimgekehrt war, was zu merklicher Besorgnis in seinem Haus und bei anderen Edlen und Reichen führte, und befragte alle, die vielleicht antworten könnten und würden. Einer der Diener von Meister Nikola war nicht abgeneigt, ein paar Münzen anzunehmen und viel Wein in einer Schänke außerhalb der Mauern zu trinken.
»Der Herr ist zu einem Landgut gereist«, sagte er, nachdem seine Zunge befeuchtet und schon recht schwer war.
»Wo ist dieses Landgut?«
»In einem Tal in den Hügeln, nicht weit von Makose.«
»Wo ist das?«
»Ein Dorf, ein paar Meilen südlich der Straße nach Trebinje. Der Weg geht
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