Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
ungefähr eine Wegstunde vor dem Paß und der Grenze rechts ab.«
Ich erinnerte mich an die Straße und an Wege, die von ihr wegführten. »Karge Gegend«, sagte ich. »Man schaut über die karstige Hügellandschaft aufs Meer. Aber was tut man da außerdem auf einem Landgut?«
»In dem Tal gibt es fruchtbaren Boden. Der Meister will dort Wein anbauen.«
»Man kann sich auch sehr gut mit allen möglichen Leuten treffen, mit denen man weder in Trebinje noch in Dubrovnik gesehen werden will.«
Der Diener nickte. »Der Herr ist dort aber nicht angekommen – heißt es. Niemand weiß, wo er sich aufhalten könnte.«
Einige Tage später tauchte Bekim – nicht zum ersten Mal, aber nach längerer Pause – bei Valerio auf. Als wir die Musik unterbrachen, um zu trinken, zu essen und neu zu stimmen, bat er mich, ihm vor die Tür zu folgen, und dort zog er mich ein paar Schritte beiseite.
»Morgen«, sagte er leise, »werde ich mit etwas Glück einen Mann treffen, einen Eseltreiber, der oft zwischen Dubrovnik und Trebinje unterwegs ist. Jemand bei den Albanern hat gesagt, der wüßte etwas.«
»Worüber? Falls du das schon weißt.«
Er zögerte; schließlich murmelte er: »Wenn es stimmt, ist es so heiß, daß jeder sich daran die Zunge verbrennt. Ein Seitental, in dem kleine Karawanen manchmal rasten. Es gibt dort einen Brunnen. Nicht weit davon sind neuerdings ein paar Steine aufgetürmt. So, als ob man da jemanden bestattet hätte.«
»Sieh dich vor«, sagte ich. »Brauchst du Geld?«
»Nicht für mich, aber vielleicht ...«
Ich gab ihm zehn Zechinen. »Das sollte genügen, um einen Eseltreiber zu erheitern. Weißt du, wo Orebic ist?«
»Am Ende der langen Insel? Gegenüber von Korcula?«
»Ja. Nur für den Fall, daß du länger brauchst: In ein paar Tagen breche ich auf; ich werde dort einen alten Schiffbauer namens Goran aufsuchen. Komm nach, sobald du kannst.«
Velimir war bereit, mich für ein paar Zechinen – »weniger, als du dem alten Schuft für den Ausflug zur Bucht gezahlt hast« – nach Orebic zu bringen. Er brauchte aber noch einen Tag, um sein Boot seeklar zu machen und drei oder vier Seeleute aufzutreiben. »Am besten«, sagte er, »kommst du morgen abend und schläfst in meiner Hütte. Vielleicht ist der Frühwind günstig, dann segeln wir vor Sonnenaufgang los, und ich muß dich nicht erst holen.«
Morgens sagte ich den anderen Musikern Lebewohl. »Es war gut bei euch und mit euch«, sagte ich. »Und diesmal weiß ich nicht, ob ich wiederkomme.«
»Das wird zur Gewohnheit.« Ardiana umarmte und küßte mich. »Beim letzten Mal hast du auch so düstere Dinge gesagt. Oder sichtbar gedacht. Gibt acht auf dich, hörst du?«
»Wenn du überlebst«, sagte Zlatko, »schreib uns, damit wir wissen, wie es ausgegangen ist.«
Konstantinos grinste. »Und wenn du nicht überlebst, schreib uns trotzdem – bloß wegen unserer Neugier.«
»Ich will’s versuchen. Wenn es euch hier und bei Valerio irgendwann einmal zu langweilig wird, könnt ihr ja in Venedig nachschauen, ob es mich noch gibt.«
»Gibt’s da Schänken, in denen wir Musik machen könnten? Mit oder ohne dich?« sagte Tomislav.
»Wenn es irgendwo an diesem Meer einen Hafen ohne Tavernen und ohne Musik gäbe, wüßten wir das wohl. Die Götter der Töne und Leitern mögen euch bewahren – und die Herren der Spione auch!«
Boboko begleitete mich auf dem Weg zu Velimirs Hütte. Er behauptete, er habe in Gruz etwas zu erledigen; da könne er auch meinen Fiedelkasten tragen, daß ich unter der Last der übrigen Dinge nicht zusammenbräche. Als wir weit genug vom Haus entfernt waren, sagte er: »Hör zu, Jakko. Ich weiß nicht, ob es dir hilft, aber ich habe da etwas gehört.«
»Sprich, Bruder.«
»Unter Zigeunern ...« Er grinste. »Alle Musiker sind Zigeuner, oder? Jedenfalls – unter Zigeunern erzählt man sich manchmal Dinge, die andere nichts angehen.«
»Unter Musikern auch. Und unter Albanern, Venezianern, Taschendieben, Soldaten und überhaupt. Was hast du gehört?«
»Sagt dir der Name Bayard etwas?«
»Der Ritter ohne Furcht und Tadel?«
»Ja.«
»Natürlich; ich habe ihn nie gesehen, aber wer kennt ihn denn nicht?«
Boboko nickte. »Frankreichs größter Held, von den Feinden geehrt und von den Freunden geliebt.« Er lachte. »Klingt fast zu schön, oder? Jedenfalls – bei seinem Tod an der Sesia vor fünfzehn Jahren soll er dem Herzog von Bourbon ein kostbares Wehrgehänge überlassen haben.«
»Na ja«, sagte ich.
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