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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Krummholzspieler am Tisch.
    »Möge euch immer die Sonne scheinen«, sagte ich. »Darf ich mich zu euch setzen?«
    Der Krummholzspieler blinzelte mich an und stand auf. »Vorher sollte jemand dir vielleicht zeigen, wo hier was ist. Und damit du schneller lernst, machen wir das zweisprachig.«
    »Dazu bin ich noch nicht wach genug.«
    Die Frau lachte. »Davon wirst du schneller wach. Zlatko sorgt schon dafür.«
    Er zeigte mir die wichtigen Dinge, für die es nachts zu dunkel gewesen war; den Brunnen, die Abfallgrube, die Vorräte, Geschirr und andere Kleinigkeiten. Und er bestand darauf, daß ich die kroatischen Wörter wiederholte, ehe wir zum nächsten Gegenstand kamen.
    Ich spritzte mir ein wenig Wasser aus dem Brunnen ins Gesicht, um schneller wach zu werden, und trug einen Eimer in die Küche. Das Morgenmahl bestand aus gestrigem Brot, ein paar Schinkenfetzen und einem bitteren Kräuteraufguß. Als ich mich nach dem ersten Schluck schüttelte, stand Ardiana auf und holte Honig und einen Holzlöffel.
    »Wie macht ihr das mit Essen und Trinken und allem?« sagte ich. »Besorgt jeder das, was er selbst braucht, oder gibt jeder Geld dazu, und alles wird gemeinsam erledigt?«
    »Mal so, mal so«, sagte Zlatko. »Hast du denn Geld?«
    »Nicht viel. Aber hoffentlich genug, um mich zu beteiligen. Ich will nicht auf eure Kosten leben.«
    Es gab offenbar keine festen Regeln. Jemand schlug etwas vor, die anderen gaben Münzen dazu, dann wurden die nötigen Dinge beschafft. Zlatko sagte, es sei auch schon vorgekommen, daß niemand Vorschläge machte, alle an etwas anderes dachten – Musik oder Frauen – und morgens nichts zu essen im Haus war.
    »Wem gehört das Haus eigentlich?«
    »Das steht hier so herum.«
    »Gibt’s das? Häuser, die herumstehen oder herumlungern und niemandem gehören?«
    Ardiana lachte. »Du klingst ungläubig.«
    »Bin ich. Seit man uns aus dem Paradies gescheucht hat, ist doch immer jemand Eigentümer gewesen.«
    »Auch im Paradies«, knurrte Zlatko. »Der Eigentümer des Paradieses hat seine säumigen Mieter verjagt.«
    »Es gehört einem Händler«, sagte Ardiana. »Er kommt manchmal vorbei, sieht sich um, überlegt, was es kosten würde, alles richtig herzurichten, sammelt von uns ein paar Münzen ein und geht wieder.«
    Zlatko kam aus einem Dorf in der Nähe von Split. Der Sackpfeifer hieß Konstantinos, ein Grieche aus den thessalischen Bergen. Der Lautenspieler, Boboko, war Zigeuner, und Tomislav der Trommler kam aus Bosnien, aus einem Dorf bei Mostar.
    Italienisch konnten sie alle; die jahrhundertelange Vorherrschaft der Venezianer an der Adria und nicht zuletzt auch die Verbindungen zum Papst sorgten dafür. Untereinander sprachen sie meistens Kroatisch – niemand außer den Albanern, heißt es, kann Albanisch –, also sagte ich mir, daß es für mich kaum eine bessere Umgebung gäbe, um die Sprache des Landes zu lernen und mich mit allem vertraut zu machen, was ein guter Spion wissen, kennen und können muß. Es kam hinzu, daß ich mich als Spielmann weit besser fühlte denn als reisender Händler oder als Söldner auf der Suche nach Anstellung. Schließlich war mir die Fiedel Freundin, nicht Verkleidung – sofern man sich eines Instruments als Maske bedienen kann.
    Anfangs hatte ich gewisse Zweifel hinsichtlich der Lage des Hauses. Wenn ich etwas über die Pläne der beteiligten Mächte und über die allfälligen Ränke herausfinden wollte, sollte ich, wie ich mir sagte, wohl besser in der eigentlichen Stadt leben. Aber das kam nicht in Frage. Zwar besaß ich im Gürtel, eingenäht in den Kleidern, im doppelten Boden des Fiedelkastens genug Geld, um einige Zeit in einer besseren Unterkunft zu verbringen, aber wie wäre das mit der Person eines wandernden Spielmanns zu vereinbaren?
    Außerdem zeigte sich bald, daß die Lage unweit der Straße nach Norden durchaus Vorzüge hatte. Über diese Straße kamen alle, die zwischen Dubrovnik und den nördlichen Teilen der Republik Ragusa reisten oder weiter, zwischen der immer noch venezianischen Küste Dalmatiens und Venezianisch Albanien, aber auch dem osmanisch beherrschten Hinterland, Bosnien, Serbien oder Ungarn; manche der Reisenden zogen die schäbigen, aber erschwinglichen Schänken und Gasthäuser wie Valerios Taverne den teuren Unterkünften in der eigentlichen Stadt vor. Weitere Schänken gab es in Gruz, wo sich ein zweiter Hafen entwickelte – einfacher anzulaufen als das enge Hafenbecken von Dubrovnik und nicht so streng

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