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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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den Füßen aufhängen, Jakko; sie werden dir den Bauch aufschlitzen und Salz und Schlangengalle hineinreiben.«
    »Du vergißt etwas«, sagte ich.
    »Was denn?«
    »Wenn das hier Venedig erreicht, bin ich sowieso tot. Meinst du, dann kümmert mich Schlangengalle noch?«
    »Ah, dann werden sie fragen, wer dafür gesorgt hat, daß das alles nach Venedig kommt. Und das steht ja hier irgendwo – der alte Goran aus Orebic soll es befördern. Dann wird die Schwarze Klinge mich holen lassen, mich zerschlitzen und die kleinen Teile, die übrigbleiben, an die Fische im Hafen verfüttern.«
    »Ich dachte, du magst Fisch.«
    »Nur gebraten oder gekocht.«
    »Ich sehe schon, wir werden darüber noch gründlich zu reden haben.«

SIEBEN
Klänge und Fragen
    V alerios Schänke lag einige hundert Schritte außerhalb der Mauern in einer Nebenstraße. Es waren auch zu dieser späten Stunde noch genug Leute unterwegs, die ich danach fragen konnte. Von Katona war ich zunächst zurück zu der Schänke gegangen, in der ich gespielt hatte; kein Grund, Münzen liegen zu lassen. Der Wirt schien erleichtert, mich zu sehen. »Sie haben dich nicht festgehalten? Gut. Hier, das haben die Gäste für deine Musik gegeben.«
    Kleine Münzen, aber immerhin. Ich steckte sie ein, dankte dem Wirt, ließ mir von ihm einen Teil des Wegs beschreiben – »wenn du an der Ecke angekommen bist, mußt du noch einmal fragen« – und brach auf. Bis ich Valerios Taverne erreichte, war es kurz vor Mitternacht.
    Aber die Brüder der Musikantenzunft waren verläßliche Nachtschwärmer. Sie machten keinen Lärm; die Klänge, die ich hörte, als ich mich dem freistehenden Haus näherte, waren gedämpft, und sie waren gut.
    Sie waren aber auch – schräg? Seltsam? Was sie gerade spielten, als ich eintrat, klang nach den Bergen und Steppen des Ostens, zugleich wild und wehmütig, und es gab Tonfolgen, Abstände und Übergänge, die ich so noch nie gehört hatte.
    Antun konnte ich nicht entdecken, wohl aber Jadranko und Daniel. Sie hockten mit Bierbechern an einem Tisch. Sie winkten mich zu sich, und während ich mir einen Weg zwischen den Schemeln, Stühlen und Tischen suchte, betrachtete ich die Musiker.
    Einer war dabei mit einer kleinen, lederbespannten Trommel. Neben ihm saß einer mit einer Sackpfeife, die eine Melodieflöte und zwei Dauerbässe hatte. Ein dritter Mann spielte etwas, was ich ein Krummholz genannt hätte, wenn es denn krumm gewesen wäre – eine lange Holzflöte, wie ich sie nie gesehen und deren tiefe, heisere Töne ich nie zuvor gehört hatte. Der letzte der Musiker schließlich spielte eine große Laute, deren voller Klang zusammen mit den Trommeln eine Art Teppich bildete, auf dem die Töne der übrigen Instrumente tanzen konnten.
    Ich hatte mich kaum zu den beiden jungen Männern gesetzt, als eine Schankmagd neben mir auftauchte und »Pivo? Šunka? « sagte.
    Daniel wollte übersetzen, aber für Bier und Schinken reichte mein mühseliges Kroatisch durchaus.
    »Vino, molim«, sagte ich.
    Sie erwiderte mein Lächeln, nickte und ging.
    »Oh, er kann ›bitte‹ sagen!« Daniel grinste Jadranko an. »Wenn er länger bleibt, schafft er am Ende noch ganze Sätze.«
    Das Musikstück endete; die Zuhörer trampelten. Der Trommler folgte der Schankmagd mit den Augen, und als sie mir einen Becher mit Wein reichte, rief er durch das Stimmengewirr: »He, Fiedel, komm zu uns!«
    Ich hätte lieber noch ein Weilchen zugehört, um die fremden Intervalle und Sprünge besser zu erfassen. Aber wenn Zunftbrüder einen auffordern, sollte man sich nicht zieren.
    Ich nahm die Fiedel aus dem Kasten und schob mit dem Fuß einen Schemel in den Kreis der Musiker. Nachdem ich sie reihum angelächelt hatte, wandte ich mich an den Mann mit der Sackpfeife. »Gib mir deinen Grundton«, sagte ich. »Und um Vergebung für mein fehlendes Kroatisch.«
    »Macht nichts«, sagte der Trommler. »Die venezianischen Halunken sind seit Jahrhunderten hier, also werden wir wohl verstehen, was du sagst.«
    Nachdem ich die Fiedel gestimmt hatte, sah ich, daß die anderen etwas von mir erwarteten. Ich spielte einen schnellen Tanz, den ich vor Jahren in Frankreich gehört hatte; beim zweiten Durchgang fielen die übrigen Instrumente nach und nach ein. Die Laute übernahm, spielte Verzierungen und wandelte die Melodie ab. Dann kam das Krummholz, und plötzlich waren in dem mir vertrauten Stück diese seltsamen Sprünge. Die Sackpfeife hatte bis dahin nur ihr Dauerbrummen beigetragen; nun

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