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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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weiter.
    Ich versuchte zu ergänzen. »Ehrlos und ohne Zimt?«
    Er lächelte. »Du näherst dich der Sache. Überleg mal.«
    Ich spitzte den Mund und summte leise. Schließlich sagte ich: »Alt, ehrlos, kein Ozean, weder Zimt noch Bronze noch Pfeffer ... Kann es sein, daß dich die schwarze Flut der Schwermut gepackt hat, die manchmal aus Weinbechern klimmt? Und daß du nun all das erwägst, was du versäumt hast und jetzt gerade nicht auftreiben kannst?«
    »Wenn wir in ein paar Wochen so ein Gespräch auf Kroatisch führen können, mein Kleiner, wirst du wahrlich furchterregende Fortschritte gemacht haben.«
    »Ich wollte, es wäre schon so weit. Aber was ist mit deinem Gemüt?«
    »Es macht Rückschritte«, sagte er in einem etwas wehleidigen Tonfall. »Ich denke, wie du so treffend festgestellt hast, über Dinge nach, die mir fehlen. Und woran es liegen könnte, daß sie mir fehlen. Und was sich aus dem ergibt, was fehlt, und aus dem Grund für das Fehlen. Ein Überfluß an Mangel, gewissermaßen.«
    »Ich bin nur ein armer fahrender Musikant«, sagte ich. »Wenn ich so viel wüßte, wie ich Durst habe, wäre ich erheblich klüger als betrunken. Denn betrunken bin ich noch gar nicht, und mit der Klugheit ist es auch nicht weit her.«
    »Soll ich dich erhellen?«
    »Alles wäre mir lieber, als weiter in deinen rätselhaften Wortreusen herumirren zu müssen.«
    »In Reusen irrt man nicht herum; man steckt fest.«
    »Ja, das auch. Also?«
    »Der Krieg.«
    Ich kratzte mir den Kopf. »Ah ja. Und deshalb ein Ozean ohne Zimt?«
    »Der Ozean hat damit nichts zu tun; der fiel mir nur so nebenbei ein. Zimt, Pfeffer, Kardamom und Bronze.«
    »Mangel an Gewürzen aus Indien?«
    Er nickte.
    »Ah«, sagte ich. »Der Handel, den die Venezianer von Alexandria aus betrieben haben. Und jetzt haben die Türken ihnen den Handel genommen, liefern aber selbst nicht. Sie haben ihnen den Handel genommen, weil Krieg ist, und deshalb liefern sie selbst auch nicht. Ist es das?«
    »Du näherst dich.« Er lächelte mich an; es war eine gewisse Freundlichkeit darin, jedoch auch einige Herablassung. »Aber noch bist du nicht da.«
    »Ich habe ja auch nichts zu tun, als deine Rätsel zu lösen.«
    »Die paar Töne, die du deiner Fiedel entlockst ... Also, machst du weiter?«
    »Über den Ozean, den Atlantik«, sagte ich, »bringen die Portugiesen Pfeffer, Zimt und Kardamom aus Indien. Aber seit die türkischen Flotten die Adria beherrschen, kommen keine Frachtschiffe mehr aus Lissabon.«
    Er starrte in seinen Becher; dann nahm er einen tiefen Schluck und rülpste. »Das mit dem Ozean ... mit dem Ozean hat es noch eine andere Bewandtnis; aber das kannst du als weitgereister Krieger nicht verstehen.«
    »Ich bin jetzt gerade kein weitgereister Krieger, sondern ein ziemlich seßhafter wandernder Musikant. Was ist mit dem Ozean?«
    »All die Jahre«, sagte er, und zur Abwechslung klang er fast bitter, »habe ich Schiffe gebaut. Einige Männer sind mit ihnen durch die Meerenge auf den Ozean hinausgesegelt und haben Kabeljau aus dem Norden und Tuch aus England mitgebracht. Und ich, der ich diese Schiffe gebaut habe – und man hat mir versichert, daß sie den Wellen des Ozeans trotzen, daß sie auf ihnen reiten wie auf schlecht zugerittenen Fohlen – ich, der ich sie gebaut habe, bin selbst nie so weit gekommen.«
    »Ah, die Versäumnisse der Jugend.« Ich lachte leise. »Manche kann man im Alter beheben. Willst du das?«
    »Im Moment will ich ganz etwas anderes. Pfeffer, Zimt, Kardamom. Und Bronze.«
    »Was zum Teufel hat die Bronze damit zu tun?«
    Er leerte seinen Becher, füllte ihn auf, schielte in meinen, fand ihn aber noch ausreichend voll und stellte den Krug wieder hin. »Du solltest schneller trinken; bald ist nichts mehr da.«
    »Ich glaube und hoffe, daß Valerio genug für viele weitere Krüge hat. Was ist mit der Bronze?«
    »Bronzeplatten.«
    »Inwiefern?«
    »Schiffbauer, o Jakko, brauchen Bronzeplatten. Bronze rostet nicht, oder nur ganz langsam. So langsam, daß man es erst in Jahrhunderten bemerkt.«
    »Das kann uns gleich sein. Keiner von uns wird lange genug leben, um deinen Bronzeplatten beim Rosten zusehen zu können.«
    »Das ist es ja – es gibt keine Bronze.«
    »Ah. Jetzt verstehe ich. Du willst Zimt, um die Bitternis deines Alters mit etwas zu versüßen, das an die Haut junger Frauen erinnert. An den Duft der Haut. Pfeffer, um deine Fische und Suppen zu würzen. Kardamom – wozu nimmt man Kardamom? Für Gebäck?

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