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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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hattest?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wollen wir jetzt gefühlige Erörterungen anstellen? Empfindsamkeiten wägen? Das paßt nicht zu dir.«
    Er blähte die Wangen. »Du beleidigst mich.«
    »Im Gegenteil, ich preise dich ob deiner Geschäftstüchtigkeit.«
    Er klopfte auf den Tisch; beinahe empört sagte er: »Und warum habe ich dich hier aufgenommen?«
    »Aus Neugier.«
    »Neugier? Worauf denn?«
    »Du willst sehen, wie das ist, wenn jemand an einem anderen einen angekündigten Tod vollzieht.«
    »Ha! Als ob ich nicht genug Tote gesehen hätte. Habe ich dich vielleicht aufgenommen, weil du einen blinden Flecken in meinem Herzen gefunden und besetzt hast?«
    »Nein.«
    »Nein? Sondern?«
    »Weil ich dich gründlich bezahlt habe.«
    Goran sah mich traurig an. »Wie betrüblich. O wie unsagbar finsterlich.«
    »Was, o Goran, ist so trübe?«
    »Deine Menschenkenntnis und Wahrheitsliebe. Kannst du nicht ein wenig angenehm lügen? Mir zuliebe?«
    »Ich könnte, aber ich will nicht.«

ELF
Die Geheimnisse der Musiker
    N ikola Sorkočević.« Jemand flüsterte den Namen, als der kleine alte Mann erschien, sich nach allen Seiten verbeugte und an einem Tisch neben einem Fenster Platz nahm. Für diesen Abend hatte uns der Besitzer einer Schänke unweit des Dominikanerklosters verpflichtet; es gebe eine kleine Feier, wichtige Leute, gute Musik, aber bitte nicht zu laut ...
    Der Name hatte auf den Blättern von Bellini gestanden und war mit diesen zu Rauch geworden. Ein bedeutender Mann aus einer der alten, reichen Familien; er hatte in jungen Jahren ein wenig Handel getrieben, sich von öffentlichen Ämtern ferngehalten, viel gelesen, mit Künstlern und Wissenschaftlern in ganz Europa Briefe gewechselt. Es hieß, er sei allgemein geschätzt – ein einflußreicher Mann ohne unmittelbaren Einfluß, ein Mächtiger ohne Macht. Während wir spielten, beobachtete ich ihn unauffällig. Er lächelte viel, unterhielt sich mit den drei anderen, die an seinem Tisch saßen, und gelegentlich schien er der Musik zu lauschen.
    Sorkočević erinnerte mich an irgendein Tier; ich konnte mich aber nicht entscheiden, ob Eichhörnchen, Uhu oder Frettchen. Auf seltsame Weise waren alle drei in seinem Gesicht und seiner Haltung, und je nachdem, wie er saß oder sich bewegte, lächelte oder ernst dreinblickte, kam eines dieser Tiere zum Vorschein, ohne die anderen ganz zu verdrängen. Dann dachte ich an die Mörder, die ich einmal gejagt und mir als Tiere eingeprägt hatte – Wiesel, Falke, Bär und ... nun ja, der »Moloch« war kein Tier, und die ganze Tiersucherei war ohnehin müßig.
    Ehe Sorkočević aufbrach, sprach er länger mit Zlatko, danach mit den übrigen Musikern. Er nahm jeden einzelnen beiseite und wechselte mit ihm einige leise Worte, die einen Schritt weiter im allgemeinen Lärm der Schänke nicht mehr zu verstehen waren. Mit Ardiana redete er ein wenig länger; zum Schluß kam er zu mir, lächelte und sagte: »Es freut mich, in den Genuß deines Spiels gekommen zu sein. Ich hoffe, wir können das wiederholen. Übrigens sind Lorenzos Freunde auch meine Freunde.«
    Ich dankte mit einer knappen Verbeugung. »Große Ehre, Herr«, sagte ich. »Ich will jederzeit gern für dich spielen – aber wer ist Lorenzo?«
    Der Alte schnalzte leise, sagte: »Ah ah ah«, zwinkerte und ging.
    Ein paar Tage danach tauchte er abends bei Valerio auf, als wir noch gar nicht mit der Musik begonnen hatten.
    »Ich brauche einige Auskünfte zu Venedig«, sagte er. »Magst du mich auf einen kleinen Spaziergang begleiten?«
    Wir gingen hinaus, zur Straße nach Gruž, und wanderten dort eine Weile auf und ab.
    »Lassen wir das Versteckspielen«, sagte er; »ich werde Lorenzo nicht erwähnen, dafür gibst du mir ein paar ehrliche Antworten.«
    »Wenn ich antworten kann«, sagte ich. »Um Ehrlichkeit kann ich mich bemühen, aber fehlendes Wissen kann ich nicht aus der Luft saugen.«
    »Ach, ich nehme an, du wirst mich wissen lassen, was du nicht weißt.«
    Ich lachte. »Ich werde dich wissen lassen, daß ich etwas nicht weiß.«
    Er stellte einige Fragen über die Stimmung in Venedig, ob man dem Dogen vertrauen könne, ob dort in letzter Zeit Bücher erschienen seien, die er unbedingt lesen sollte; schließlich, wie nebenher, erwähnte er den beklagenswerten Mangel an guten Buchdruckern in Dubrovnik und fragte, ob ich wüßte, welche der vielen Druckereien möglicherweise bereit sein könnten, einen Zweigbetrieb in Dubrovnik zu eröffnen. Ich nannte

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