Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
manchmal«, sagte Zlatko, »wenn der Verwalter der Nahrungsmittel mit steinhartem Brot nach einem wirft.«
»Magenknurren ist auch eine Form von Musik, oder?« Ardiana lachte; ich spürte ihre Brüste an meinen Schultern.
»Kannst du deinen Magen rhythmisch knurren lassen?« sagte Tomislav.
Ich knirschte mit den Zähnen, was aber im Lärm der Schänke niemand hören konnte. »Ihr macht mich wahnsinnig. Was habe ich denn noch nicht begriffen?«
»Er mag nicht schweigen, wie ihr hört.« Ardiana hatte das Kinn auf meinen Kopf gelegt; ich weiß nicht, ob ich ihre Worte mit den Ohren oder der Schädeldecke hörte.
»Ein Glück«, sagte Konstantinos. »Wenn er schwiege, könnte man ja nichts hören, nur sein Schweigen.«
»Ich glaube, er ist wirklich stur.« Boboko schnitt eine furchterregende Fratze, mit deren Hilfe er notfalls eine gutbesuchte Kirche hätte leeren können. Die Schankmagd, die einen frischen Krug brachte, sah es, grinste und sagte: »Ups.«
»Stur?« Ardiana zupfte an meinem linken Ohrläppchen. »Nein, glaube ich nicht; ich fürchte, er hat es wirklich noch nicht begriffen.«
»Sollen wir es ihm sagen?« Zlatko lächelte flüchtig und hob die Brauen.
»Sag du es ihm.«
»Ich? Wieso ich?«
»Wieso nicht?« sagte Tomislav. »Wer, wenn nicht du?«
Zlatko bleckte die Zähne. »Anders gesagt, wieso überhaupt?«
Konstantinos hob den Krug, den die Magd eben gebracht hatte. »Möchtet ihr noch etwas trinken?«
»Trinken ist besser als schweigen«, sagte Ardiana.
Zlatko hüstelte. »Aber gut schweigen ist besser als schlecht trinken.«
»Ach, gieß uns doch noch ein paar Becher Schweigen ein«, sagte Boboko, »damit wir besser reden können.«
»Ihr seid alle verrückt«, sagte ich. »Worum geht es eigentlich, außer um nichts?«
Ardiana stützte die Ellenbogen wieder auf meine Schultern. »Meister Nikola befragt alle«, murmelte sie. »Besonders gründlich befragt er jeden, den er für einen Spion hält.«
»Aha.«
»Eben«, sagte Tomislav.
»Und dich hält er für einen Spion der Serenissima.«
Konstantinos grinste mich an. »Bist du ja auch, oder etwa nicht?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Es wird allmählich langweilig«, sagte Zlatko. »Können wir das hier abschließen und von etwas anderem reden? Oder schweigen?«
Konstantinos hob einen Zeigefinger, als wolle er uns belehren. »Das Gewerbe ist ziemlich heruntergekommen. Gesandte spionieren, wie allgemein bekannt ist; weil sie aber auch andere Aufgaben haben, spionieren sie oft nicht gründlich genug.«
Ardiana schnaubte in meine Haare. »Sie schnüffeln sozusagen, ohne das, was sie riechen, wirklich einzuatmen.«
»Die nächste Gruppe, die spioniert«, sagte der Sackpfeifer, »ist die der reisenden Händler. Aber die wollen ja auch Geschäfte machen, und manchmal steht das eine dem anderen im Weg.«
»Ein Geheimnis, das im Weg steht, ist aber schon ziemlich offenkundig, oder?« Boboko feixte. »Also nicht so richtig geheim.«
»Sei still«, sagte Zlatko.
Boboko verneigte sich im Sitzen. »Vernimm mein lautes Schweigen.«
»Ah bah.«
»Laß den Griechen reden«, sagte Tomislav. »Damit wir endlich zum Ende kommen.«
»Dann gibt es gerissene Kerle«, fuhr Konstantinos fort, »die nur vom Spionieren leben und das richtig gut können.«
»Leben oder spionieren?« sagte ich.
»Beides. Und beides endet manchmal ziemlich plötzlich.«
Zlatko nickte. »Und zwar, wenn sie sich erwischen lassen.«
»Tja, und was geschieht dann?« sagte Konstantinos.
Ich beschloß, die Rolle des Dummen noch ein Weilchen weiterzuspielen, da ich immer noch nicht wußte, worauf alles hinauslaufen sollte. »Keine Spione mehr?«
»Ach was. Andere.«
»Inwiefern andere?«
»Andere, die nicht so gerissen sind, oder noch gerissener. So gerissen, daß man sie für dumm genug hält, um sie nachts vor einer Taverne zu befragen.«
»Ah«, sagte ich. »Heißt das, Meister Nikola, der euch ja alle gelegentlich zur Brust genommen hat, hält uns alle für Spione?«
Ardiana gluckste, ließ mich los, richtete sich auf und ging zurück zu ihrem Stuhl. »Jetzt hat er es begriffen.«
»Aber zugeben will er es noch nicht«, sagte Boboko. Er schnalzte. »Dabei ist es nicht so schwer. Und nicht so unerhört.«
Plötzlich begriff ich. Und ich begann zu lachen. Was hatte Bellini gesagt, als ich ihm mitteilte, die Maske des wandernden Musikanten erschiene mir brauchbar? Kein ganz ungewöhnlicher Gedanke.
»Aber das kann doch nicht wahr sein!« sagte ich, als
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