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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Festung Herceg Novi, die Seeschlacht von Preveza stand noch bevor, Venedigs Truppen an der Bucht waren zwangsläufig Teil der Heiligen Liga; da mochte ein Offizier gute Gründe haben, Dubrovnik aufzusuchen – die Stadt, die Teil des Osmanischen Reichs war; die alles tat, um dabei irgendwie unabhängig zu bleiben; die vermutlich die größte Anzahl von Spionen und Ränkeschmieden aller Länder an der Adria, wenn nicht gar am gesamten Mittelmeer barg. Nachschub, Kenntnisse, Gespräche, was auch immer.
    Ich zögerte nur kurz, ehe ich mich entschied, Antonio nichts von Katona zu erzählen. »Vielleicht will er sich umsehen«, sagte ich. »Um in Erfahrung zu bringen, ob man hier weiß, wann die Türken gegen die Flotte der Liga losschlagen. Die Venezianer in Cattaro stehen ja auch in der Schlachtlinie.«
    »Mag sein. Aber du? Was tust du hier?« Dann zwinkerte er. »Hat es etwas mit, hm, Lorenzo Bellini zu tun?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich habe euch beim Fest gesehen. Ihr habt geredet wie alte Bekannte. Du bist ein erfahrener Krieger und Reisender. Bellini braucht gute Leute hier, um nicht von den Türken überrascht zu werden. Also!«
    Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Ich glaube, du bist nur halb so töricht, wie dein Vater meint. Natürlich stimmt nichts von alledem. Ich bin einfach nur hier, verstehst du?«
    Er nickte; mit einem strahlenden Lächeln sagte er: »Gewiß, Herr Spion; von mir erfährt keiner etwas. Was hält denn die köstliche Laura davon? Wenn ich gewußt hätte, daß du nicht da bist, hätte ich schwere Belagerungsgeschütze vor ihrer ehelichen Anmut in Stellung gebracht, um zu sehen, ob sie auch unehelich anmutig sein kann.«
    »Seit wann bist du hier?«
    »Zehn Tage. Und wie lange noch? Bis Eisschollen durch die Hölle treiben.«
    »Was weißt du von Eisschollen?«
    »Man hat mir erzählt, daß es so etwas im Norden gibt.« Er lachte. »In den barbarischen Gefilden, denen du aus zweifellos guten Gründen entronnen bist. Laß uns darauf trinken.«
    »Worauf?«
    Er ächzte. »Auf die Hölle des Nordens, die du verlassen hast, und die Hölle des Ostens, in die man mich schicken zu müssen wähnte.« Er wandte sich um, klatschte in die Hände und brüllte: »Noch solch einen Kelch des Unheils für einen alten Freund!«
    »Der alte Freund hat eine Bitte.«
    »Sie ist schon gewährt. Sprich.«
    »Ich habe in Venedig auf einem deiner Feste die Fiedel gestrichen«, sagte ich. »Daher kennen wir uns. Falls jemand dich fragt. Nichts von Druckereien und ähnlichen Dingen. Ein Musiker, hörst du? Und eben auch ein Venezianer. Oder beinahe.«
    Antonio betrachtete die finster behaarten Hände des Schankdieners, der ein Glasgefäß vor mir auf den Tisch stellte.
    »Wie zwischen den Schenkeln einer uralten Kurtisane«, murmelte er.
    »Ich hatte keine Ahnung, daß du Damen ehrwürdigen Alters kennst.«
    Antonio runzelte die Stirn. »Unterschätz mich nicht. Und – wenn ich dir einen Gefallen tun soll, will ich eine Gegenleistung.«
    »Und zwar?«
    »Wissen, was du hier treibst. Und wo. Und mit wem. Und ob ich mich beteiligen kann.«
    »Dich scheint die Langeweile zu plagen.«
    »Überdruß«, sagte er. »Überdruß und Ödnis. Verödung des Leibes und der Seele. Mein Gemüt ist verätzt. Mein Herz ...«
    Ich unterbrach ihn. »Mach’s etwas weniger üppig, Junge. Hast du heute abend etwas vor?«
    »Ich beabsichtige, mich unbändiger Langeweile zu ergeben. Warum? Weißt du bessere Formen der gesammelten Zerstreuung?«
    »Du solltest keine Spottverse schreiben, sondern dramatische Epen. Komm heute abend in Valerios Schänke.«
    »Wo ist das?«
    »In der Vorstadt, auf halbem Weg nach Gruž.«
    Er nickte. »Werde ich finden. Und was gibt es da? Noch mehr unwegsame Frauen? Abwiegelnde Gattinnen? Abstoßende Tugend und die anmaßende Geschäftigkeit der Herren?«
    »Musik«, sagte ich. »Wein. Gewöhnliche Menschen, die nicht zwischen Herrenhaus und Kontor wie ein Weberschiffchen zappeln, sondern hin und wieder lächeln.«
    »Du träufelst mir den Honigseim des Hoffens ins Gehör. Ich werde kommen. Kann man da auch ungestört reden?«
    »Eben deshalb.«

    Goran schob mir den Blätterstapel hin. »Ich hatte mich schon lange gefragt, woher du ihn plötzlich geholt hast«, sagte er.
    »Er war einfach da, und er ist zu brauchbar, um ihn ungenutzt zu lassen.«
    Goran kicherte. »Ungenutzt? Ich glaube, du verstellst dich, Söhnchen. O Krieger und Erörterer von Nützlichkeit – kann es sein, daß du ihn einfach gern

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