Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Messer?«
    »Ah, nein; er würde nur lachen. Ardiana hat’s auf dich abgesehen. Wie sie dich ›Süßer‹ genannt hat. Und dies Getätschel. Aber ...« Er zögerte, oder tat so; dann sagte er etwas lauter, aber immer noch kaum hörbar: »Ich weiß nicht, ob sie für die Franzosen arbeitet; sie hat aber wohl mal mit einem Franzosen gewerkelt.«
    »Das heißt ...?«
    »Die französische Krankheit, Jakko. Die Lustseuche. Zlatko hat sie auch.«
    »Danke, Freund, aber – bist du sicher?«
    Boboko grinste. »Natürlich. So sicher, wie ich Kreter bin und alle Kreter lügen.«

ZWÖLF
Einladung zu einem Fest
    A ls wir gestern nachmittag unsere gewöhnliche Runde machten, erfuhren wir von einem Fischer, daß er am frühen Morgen einige Meilen weiter südlich einer türkischen Galeere begegnet sei. Er sagte, man habe ihn zum Beidrehen gezwungen und ihm Fragen gestellt. Unter anderem habe sich der türkische Offizier danach erkundigt, ob sich ein Franke namens Jakko oder Yakub in Orebić aufhalte.
    »Was hast du gesagt?«
    Der Fischer verzog den Mund. »Wenn du nicht gesagt hättest, wir sollten den Türken ruhig erzählen, daß du hier bist ...«
    »Du hast es ihnen also gesagt?«
    »Ungern.« Er lachte kurz, ohne wirkliche Freude. »Wer redet schon gern mit fremden Soldaten? Den Venezianern würde ich auch nichts sagen.«
    Goran knurrte den ganzen Heimweg vor sich hin. Als wir wieder in seinem Haus waren, machte er Feuer im Herd, schob Töpfe hin und her, stieß plötzlich einen Fluch aus und trampelte mit seinem Holzbein.
    »Was betrübt dich, ehrloser alter Mann?« sagte ich.
    Er verließ Herd und Töpfe und kam zu mir. Ich hatte mich bereits an den Tisch gesetzt; er bückte sich zu mir und packte mich am Hemd. »Du alberner Haufen Eselmist«, sagte ersehr laut, nicht weit vom Brüllen entfernt.
    »Du ehrst mich über Gebühr. Womit habe ich das verdient?«
    »Dieses Warten hier, bis dein Mörder kommt. Und dann auch noch dafür sorgen, daß nur ja alle wissen, wo du bist.«
    »Das haben wir doch nun so oft beredet«, sagte ich. »Es gibt keinen anderen Weg.«
    »Weg? Wege führen nach irgendwo. Dein Weg, so wie du ihn dir bahnst, führt nach nirgendwo. Und nirgendwann.«
    »Mag sein. Man muß eben manchmal etwas Neues versuchen, und diesen Weg bin ich noch nie bis zum Ende gegangen.«
    »O deine Sturheit! Und das, was du unter Ehre verstehst!«
    Ich seufzte. »Goran, Goran, zeig mir einen Ausweg. Einen gangbaren Ausweg. Wenn ich einen wüßte, würde ich ihn sofort beschreiten.«
    Er trampelte zurück zum Herd. »Fischsuppe«, knurrte er. »Eigentlich stehen einem, der sein Leben so sinnlos wegwirft, nur Fischköpfe und Gräten zu.«
    »Ist es sinnlos, das Leben meiner Frau und meiner Kinder zu schützen?«
    »Dazu muß es doch andere Möglichkeiten geben!«
    »Nenn sie mir, dann ...«
    Er ächzte und klapperte mit Deckeln, »Wie lange noch?«
    »Keine Ahnung. Anfang November. Wie ich dir schon hundertmal gesagt habe.«
    »Wir könnten das Dorf bewaffnen. Unsinn; bewaffnet sind sowieso alle. Aber wir könnten sie zusammentrommeln.«
    »Und dann? Die Türken würden kommen und euch alle auslöschen. Nein, es gibt keinen anderen Weg.«
    Er schwieg eine Weile, arbeitete am Herd. Ich schaute durchs Fenster auf die Meerenge, über der eine von der sinkenden Sonne bereitete Goldschicht lag.
    »Du hast mir seit drei Tagen nichts mehr zu lesen gegeben«, sagte er. Es klang wie der mühsame Versuch, ein sinnloses Gespräch nicht in endlosem Schweigen enden zu lassen.
    »Ich werde dir gleich, zwischen Fisch und Suppe, erzählen, was ich in den letzten Tagen geschrieben habe.«
    »Alles?«
    »Fast alles.«
    »Warum nicht alles? Warum kann ich es nicht selber lesen?«
    »Du selbst hast mich daraufhingewiesen, daß es gefährlich sein könnte.«
    »Ah.« Er schwieg einen Augenblick. »Geheime Dinge?« sagte er dann. »Die mich den Kopf kosten könnten?«
    »Geheime Dinge. Und andere, die ich für mich behalten möchte.«
    »Andere? Unerträgliche Tugendhaftigkeit oder derlei?«
    Gegen meinen Willen mußte ich kichern. »Nett gesagt. Nein, ein paar Albernheiten, die ich wahrscheinlich später streichen und verbrennen werde. Sie sollen nach meinem Tod auch nicht nach Venedig gelangen.«
    »Warum schreibst du sie dann überhaupt auf?«
    »Weil ich mich zuerst all dessen ... sagen wir, ich will mich aller Dinge versichern, ehe ich einige von ihnen verwerfe. Erst, wenn ich sie alle greifbar habe, kann ich sie tilgen. Entscheiden, welche

Weitere Kostenlose Bücher