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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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bestehende Vorstadt und den eigentlichen Ort sah. Er konnte sich auch eines Staunens nicht erwehren, ähnlich wie damals in Wien.
    Ich kannte europäische Söldnerheere, ob diese nun dem Kaiser, dem Papst, den Venezianern, dem französischen König oder sonst einem dienten. Immer gab es bei ihnen Mangel und Durcheinander, um nicht von Chaos zu sprechen. Die Männer hatten sich in der Regel selbst zu versorgen, oft auch selbst zu bewaffnen. Irgendwann gab es den Einsatzbefehl, und eine wilde Horde zog los. Oder sie zog nicht los, sondern hatte, wie in Wien, unter unmöglichen Bedingungen eine Stadt oder Festung zu verteidigen. Um die fünfzehntausend waren wir in Wien gewesen, mit ein paar Rittern und dem harten Kern der zuletzt kaum mehr als siebenhundert spanischen Arkebusiere; der Rest bestand aus Söldnern, Bauernjungen, Totschlägern und ein paar verzweifelten Bürgern, denen man Waffen in die Hand gedrückt hatte.
    Die Türken dagegen ... Vor Wien, hatte es geheißen, bestand ihr Heer aus über zweihunderttausend Kämpfern und Troß. Es gab Sondertruppen, ausgebildet für Dinge, die seitens der Verteidiger zuerst erlernt werden mußten: Sprengen, das Anlegen von Stollen und Minen. Leute, die im Errichten von Verschanzungen erfahren waren – eine wohlgeordnete Verpflegung – Nachschub – Flußschiffe, die Nahrung und Schießpulver brachten.
    Bei Trebinje sah ich vieles von dem, was ich in Wien nur gehört oder, von den Mauern aus, in der Ferne erahnt hatte. Die Zelte bildeten ordentliche Reihen; es gab Feldküchen und Karren, an denen die Soldaten alles bekommen konnten, was sie zum Leben brauchten. Sogar die Latrinen waren sinnvoll angelegt, so daß sie weder unerreichbar weit weg noch belästigend nah waren, meistens windab und nicht in der Nähe von Trinkwasser.
    Ein westliches Heer, sagte ich mir, hätte wahrscheinlich längst den Einsatzbefehl erhalten, ehe die Vorbereitungen so weit gediehen waren. Falls sie überhaupt stattfanden. Worauf mochten die Türken warten? Es sah alles so durchdacht, so gründlich ausgearbeitet, so fertig aus. Wann, wenn nicht jetzt, wollten sie nach Herceg Novi marschieren und mit der Belagerung und Erstürmung beginnen? Dort gab es dreieinhalb- bis viertausend Mann, neun Zehntel Spanier, der Rest Griechen, Kreter, Schweizer. Hier, bei Trebinje, mußten mindestens dreißigtausend Soldaten zusammengezogen worden sein; und Kanonen, Pferde, Tragtiere, Zugtiere, Sprengmeister, Heiler, Köche ...
    Mein Begleiter – ein Albaner namens Bekim – tat so, als verstünde er meine Fragen nicht. »Ich bin kein Soldat«, sagte er. »Ich habe den Auftrag, dich zu meinem Herrn zu bringen; mehr weiß ich nicht.« Aber ich sah, wie er zwei- oder dreimal Männer begrüßte, die er gut zu kennen schien, und bei denen handelte es sich ausnahmslos um Kriegsleute.
    »Kann es sein«, sagte ich, als wir in die eigentliche Stadt kamen, »daß alles darauf wartet, Nachricht von den Schiffen des großen Khaireddin zu erhalten?«
    Bekim hob die Schultern. »Ich nehme an, es wird einen Angriff vom Wasser und vom Land aus geben. Mehr weiß ich nicht. Komm, wir sind gleich da.«
    Wir hatten Trebinje schon fast durchquert, jedenfalls weit genug, um zu sehen, daß auch östlich der Stadt Zelte in abgemessenen Reihen standen. Bekim lenkte sein Pferd zu einem Tor in einer hohen Mauer. Zwei Bewaffnete grüßten ihn, wechselten ein paar Worte auf türkisch mit ihm, öffneten das Tor und ließen uns hindurchreiten. Dahinter erstreckte sich etwas, was vor nicht allzu langer Zeit ein Garten mit Bäumen und Wiesen gewesen sein mußte und nun ebenfalls Zeltlager war. Ich schätzte die Anzahl der hier untergebrachten Männer auf etwa fünfhundert, hauptsächlich Fußsoldaten. Ich sah nur wenige Pferde, die wahrscheinlich den Offizieren vorbehalten waren.
    Das Haus in der Mitte des Geländes war weiß und weitläufig, die Fenster vergittert, die Tür – wahrscheinlich gab es mehrere, aber ich sah nur die, der wir uns näherten – wie das große Tor von bewaffneten Posten gehütet. Falls ich bis zu diesem Moment noch gehofft hatte, Laura irgendwie befreien zu können, mit Hilfe von Männern, die nicht unempfänglich für mein Geld wären, eine Art Handstreich durchzuführen, mußte ich mir nun sagen, daß der Träumer besser aufwachen sollte.
    Bekim übergab mich einem der Posten. »Wir sehen uns«, sagte er. »Ich muß mich um die Pferde kümmern.«
    Der Posten untersuchte mich kurz, aber gründlich; ich hatte meine

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