Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
geflucht, und nun saß ich dem Ungarn wieder gegenüber.
»Meister Nikola ist nicht in der Stadt«, sagte ich.
Katona verschob Papiere auf seinem Tisch. »Seltsam.« Er blätterte und knurrte leise. »Eigentlich weiß ich, wer von den wichtigen Leuten sich gerade wo befindet; man könnte sie ja brauchen. Nicht in der Stadt? Aber wo?«
»Das wollte mir der Diener nicht sagen. Er hat mir aber eine Anweisung übermittelt.«
»Aha.« Katona lehnte sich in seinem Scherenstuhl zurück. »Und zwar?«
»Ich soll bei Valerio warten, bis man mich hinsichtlich der nächsten Schritte benachrichtigt.«
»Dann steckt er also doch dahinter!«
»Offenbar. Aber warum? Fremde Drucker braucht ihr ja nicht ...«
Der Ungar lachte. »Und wenn, dann wäre Venedig der letzte Ort, an dem Nikola sie suchen würde.«
»Mag er uns nicht?«
»Wer mag die Venezianer schon? Du bist ja keiner, also nimm es dir nicht zu Herzen. Ich glaube, er hat zuletzt versucht, euch weiter zu schwächen.«
»Wie will er das machen? Dem Dogen Blutegel ansetzen?«
»Er hat gute Verbindungen.« Leiser setzte Katona hinzu: »Auch zum Sultan und dessen Leuten. Vielleicht macht er ihnen Angebote, die sie nicht ablehnen mögen.«
Ich schüttelte den Kopf und sah ihn schweigend an.
»Nun ja«, sagte er. »Den Streifen Küste, den Venedig noch in Dalmatien besitzt, Split und all das da oben, werdet ihr verlieren, wenn ihr mit dem Sultan wirklich Frieden schließen wollt. Ich erinnere mich, daß Meister Nikola hin und wieder gesagt hat, eigentlich sollte man euch von der Insel Korčula verjagen.«
»Hat er so viel Einfluß, daß er die Türken zu so etwas bringen könnte?«
Katona hob die Schultern.
»Oder«, sagte ich langsam, »könnten die Türken ihn zu etwas gezwungen haben? Zum Beispiel dazu, seltsame Briefe zu schreiben?«
Katona lächelte, aber es war kein Ausdruck von Heiterkeit. »Nach Lage der Dinge können sie jeden von uns zu allem zwingen. Sie tun es gewöhnlich nicht, weil sie gut daran verdienen, daß wir unsere innere Freiheit behalten.« Mit dem Kopf wies er schräg hinter sich; irgendwo dort war der Hafen. »Venedig und Florenz haben wie üblich Streit«, sagte er. »Florenz hat sich aus diesem unsäglichen Halbkrieg herausgehalten und liefert den Türken, was sie gerade haben wollen. Alles über Dubrovnik. Hier wird es umgeladen und von unseren Schiffen nach Konstantinopel gebracht. Alle verdienen, keiner außer Venedig wird geschädigt, und solange das so ist, gibt es für den Sultan keinen Grund, uns Daumenschrauben anzulegen.«
»Wären es denn Daumenschrauben für euch, wenn die Türken Nikola zu etwas zwängen? Es muß ja nicht der Sultan selbst sein, der ihn zwingt.«
»Wenn Meister Nikola« – er betonte den Ehrentitel – »zu husten beginnt, sagt man, sollte sich Dubrovnik auf Schnupfen einstellen.«
»Könnte Karim ihn zum Schreiben bringen?«
»Nur, wenn Nikola sich etwas davon verspricht. Oder wenn Karim etwas gegen ihn in der Hand hat.«
»Weißt du inzwischen mehr über Karim Abbas? Hat er einen Auftrag? Handelt er für sich oder für den Sultan? Was für einen Rang hat er innerhalb des türkischen Gefüges?«
Katona seufzte. »Ich weiß es nicht. Nicht mehr jedenfalls, als ich vor ein paar Monaten wußte. Es scheint gewisse Veränderungen zu geben. Der Sultan oder einer seiner Ratgeber ... sie haben in den letzten Jahren viele wichtige Männer an andere Stellen verschoben, sagen wir das mal so. Türken, die sich bestens in Serbien auskennen und dort Familien haben, also eigene Interessen, wurden nach Alexandria geschickt. Und ein Mann wie Kassem – er ist ursprünglich aus Tunesien, nicht wahr? Also, Kassem und andere aus dem arabischen Westen sind in den Osten oder in unsere Nachbarschaft geschickt worden.«
»Und Karim Abbas?«
»Ich weiß es nicht. Er jagt venezianische und kaiserliche Spione. Er ist in Frankreich und Venedig gewesen, wie du weißt; vorher, glaube ich, in Mailand, vielleicht auch in Savoyen, aber das ist nicht sicher. Er wird noch andere wichtige Aufträge zu erfüllen haben, und offenbar kann er auch hohen Offizieren Befehle erteilen. Aber welchen, sagen wir, amtlichen Rang er hat?« Katona breitete die Arme aus.
Ich stand auf. »Danke für alles«, sagte ich.
»Was auch immer.« Er blinzelte. »Was hast du vor?«
»Ich gehe zu Valerio und den Musikern. Vielleicht gibt es bei ihnen eine Matratze für mich.«
Er nickte. »Wenn ich etwas höre, lasse ich es dich wissen.«
Als ich
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