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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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gesagt: West-Berlin war im Grunde nichts. Eine Insel, ein Refugium für Freidenker und Leute, die sich vor dem Wehrdienst drücken wollten. Aber ein wiedervereinigtes Berlin wird die Hauptstadt der Welt sein.«
    »Das klingt wirklich visionär.«
    »So ist es. Renko, es fällt Ihnen so verdammt schwer, sich von dem freizumachen, was Sie für Ihre Pflicht halten. Entschuldigen Sie, daß ich das sage, aber die Mauer war realer als Ihre Ermittlungen. Jetzt ist sie gefallen, und Berlin kann aufblühen. Denken Sie darüber nach, die ganze eherne Mauer einfach verschwunden, ein riesiges Areal mitten in Berlin, das der Entwicklung harrt. Das ist die größte Immobilien-Chance in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.«
    Albows Augen strahlten so viel Überzeugungskraft aus, daß Arkadi sich dem nicht entziehen konnte. Max verkaufte die Idee der Zukunft, und die Beweise für diese Idee säumten die Straße. Ihre Geräusche hallten überall wider. Das einzige Gebäude, das nicht von ihnen erfüllt war, war die Sowjetische Botschaft, die wie ein Mausoleum zwischen den Bäumen aufragte.
    »Teilt Michael Healey Ihre Visionen?« fragte Arkadi. »Für den Mann, der für die Sicherheit des Senders verantwortlich ist, hat er Sie recht schnell wieder in die Arme geschlossen.«
    »Michael hat so seine Sorgen. Wenn die Amerikaner den Sender schließen, weiß er nicht mehr, was er machen soll. Er hat sich an den europäischen Lebensstil gewöhnt, verfügt aber über keine besonderen Fähigkeiten. Er ist kein gelernter Wirtschaftler, er hat lediglich einen Porsche. Aber wenn er sich anpassen kann, sollten Sie es auch können.«
    »Wie könnte ich das?«
    »Ihre Ermittlungen haben Sie hergeführt. Was Sie von jetzt an machen, ist eine völlig andere Frage. Gehen Sie den Weg der Zukunft oder den in die Vergangenheit?«
    »Was meinen Sie?«
    »Ich will ganz ehrlich sein«, sagte Max. »Sie wären mir völlig gleichgültig, wenn Irina nicht wäre. Irina gehört zu Berlin. Es geht ihr gut hier. Warum wollen Sie ihr das nehmen? Sie hat nie eine Chance gehabt, ihren Wohlstand zu genießen.«
    »Und das könnte sie mit Ihnen, ihren Wohlstand genießen?«
    »Ja. Ich halte mich nicht gerade für ein Unschuldslamm, aber Vermögen werden nun mal nicht mit >Dankeschön< und >Bitteschön< gemacht. Als das Rad erfunden wurde, ist es über jemanden hinweggerollt.« Max tupfte seinen Mund ab. »Ich verstehe den Einfluß, den Sie auf sie ausüben. Jeder Emigrant fühlt sich irgendeinem Menschen gegenüber schuldig.«
    »Wirklich? Wem gegenüber fühlen Sie sich denn schuldig?«
    Ein guter Verkäufer läßt sich nicht durch Grobheiten entmutigen. Max sagte: »Es ist keine Frage der Moral. Es geht hier nicht einmal um Sie oder mich. Es geht einfach nur darum, daß ich die Fähigkeit habe, mich anzupassen, und Sie offenbar nicht. Vielleicht sind Sie ein großartiger Inspektor, aber Sie gehören der Vergangenheit an. Sie haben hier nichts zu suchen. Seien Sie doch einmal ganz ehrlich und fragen Sie sich, was besser für Irina ist - vorwärts oder rückwärts zu gehen?«
    »Das muß sie selbst entscheiden.«
    »Sehen Sie, Renko, damit geben Sie zu, daß Sie die richtige Antwort kennen. Natürlich liegt die Entscheidung bei Irina. Aber Sie und ich wissen doch, was am besten für sie ist. Wir sind gerade aus Moskau gekommen. Wir beide wissen, daß, selbst wenn sie zurückgeht, ich sie dort besser schützen kann als Sie. Ich bezweifle, ob Sie selbst in Moskau auch nur noch einen Tag überleben werden. Wir sprechen also von einer Rückwärtsentwicklung, oder? Ihr beide als arme, aber liebende Flüchtlinge? Und die sowjetische Botschaft versucht, Sie abzuschieben? Ich glaube, Sie brauchen einen einflußreichen Mann, der die Hand über Sie hält. Und, offen gesagt, bin ich der einzige, der dazu in der Lage wäre. Wenn Sie sich entschließen zu bleiben, werden Sie allerdings Ihre Ermittlungen aufgeben müssen. Irina würde sich wieder von Ihnen abwenden, wenn sie glauben müßte, daß Sie nicht allein ihretwegen geblieben sind.«
    »Wenn Sie das so genau wissen, warum haben Sie ihr dann nicht gesagt, daß ich hinter Ihnen her bin?«
    Max seufzte ergeben auf. »Unglücklicherweise hat Irina immer noch eine hohe Meinung von Ihren Fähigkeiten. Sie könnte glauben, daß Sie recht haben. Wir sitzen beide in der Klemme - Sie genauso wie ich. Wir sind aufeinander angewiesen. Deswegen hat das alles auch nichts mit Moral zu tun. Deswegen müssen wir eine Regelung

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