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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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den er gekommen war, wieder zurück. Wieder erwartete er, eine von grellem Scheinwerferlicht angestrahlte Betonmauer wie eine Eiswand vor sich aufragen zu sehen. Wieder überquerte er nichts als einen leeren, von Gras und nickenden Blumen überwachsenen Platz.
    Er ermahnte sich, mehr Vertrauen zu haben.
     
    Der Morgen war heiter und trocken, ohne eine Wolke am Himmel. Arkadi und Max schlenderten auf dem Weg durch die Stadt, den er gestern abend schon genommen hatte. Irina war in der Galerie, um beim Aufhängen der Bilder zu helfen.
    Max war einer der Menschen, die sich gern in der Sonne aalten. Er trug einen butterfarbenen Anzug. In den Schaufenstern, an denen sie vorbeikamen, sah Arkadi neben ihm wie einer der Schnorrer aus, die Passanten mit der Bitte um Kleingeld belästigen. Max legte die Hand auf Arkadis Arm, als ob er sagen wollte: »Nun schaut euch diesen Penner an, der sich da an meine Fersen geheftet hat.« Ihre Blicke begegneten sich, und in dem kleinen dunklen Kreis der Iris konnte Arkadi lesen, daß Max in der Nacht nicht mit Irina geschlafen hatte - daß sein Bett nicht bequemer gewesen war als Arkadis nackter Fußboden.
    »Es ist der Traum eines jeden Unternehmers«, sagte Max.
    »Diese Seite der Stadt war immer die prächtigere. Die Universität, die Oper, der Dom, die großen Museen lagen alle im Osten der Stadt. Zwar haben wir Sowjets so viele Monstrositäten gebaut, wie wir konnten, aber wir hatten nie das Geld oder auch nur den Elan kapitalistischer Unternehmer. West-Berlin hat Geschäfte mit einem ungeheuren Immobilienwert. Stellen Sie sich vor, was der Osten heute wert ist. Ohne es zu wissen, haben wir Russen ihn gerettet. Das hier ist buchstäblich eine Metamorphose, der alte Osten kriecht aus seinem Kokon.«
    Die Friedrichstraße machte bei Tage einen anderen Eindruck als bei Nacht. In der Dunkelheit hatte Arkadi nicht gesehen, wie viele der Gebäude leerstanden. Eines von ihnen hatte eine hölzerne Fassade mit aufgemalten Fenstern, hier entstand ein großes Kaufhaus. Ein anderes war fünf Stockwerke hoch in eine schwere Plane gewickelt. Obgleich die Straße im Vergleich zum Ku’damm verhältnismäßig leer war, war aus allen Richtungen der Lärm unsichtbarer Bagger, Rammen und Kräne zu hören.
    »Gehört Ihnen das Haus, in dem wir heute nacht geschlafen haben?«
    Max lachte. »Sie sind zu argwöhnisch. Ich suche Visionen, Sie suchen nach Fingerabdrücken.«
    Unter den Linden standen immer noch die Trabis, aber sie befanden sich gegenüber den Vws, Volvos und anderen Westwagen in der Minderzahl. Aus einem offenen Gebäude drang Mörtelstaub und das Wimmern von Elektrobohrern. Gekalkte Fenster trugen die Ankündigung, daß hier Büros von Mitsubishi, Alitalia und IBM gebaut wurden. Auf der anderen Straßenseite waren die Stufen zur Sowjetischen Botschaft leer und die Fenster dunkel. In einer Nebenstraße standen die weißen Tische und Stühle eines Cafés auf dem Bürgersteig. Sie setzten sich und bestellten.
    Max blickte auf seine Uhr, einen wasserdichten Chronometer mit goldenem Armband. »In einer Stunde habe ich eine Verabredung. Ich vermakle das Gebäude, in dem Sie geschlafen haben. Für einen ehemaligen Sowjetbürger sind Immobilien die Erfüllung eines Lebenstraums. Was besitzen Sie?«
    »Abgesehen von Büchern?« fragte Arkadi.
    »Abgesehen von Büchern.«
    »Abgesehen von einem Radio?«
    »Abgesehen von einem Radio.«
    »Ich habe einen Revolver geerbt.«
    »Mit anderen Worten: nichts.« Max schwieg. »Es ließe sich etwas arrangieren. Sie sind intelligent, Sie sprechen Englisch und etwas Deutsch. Mit einem anständigen Anzug wären Sie durchaus vorzeigbar.«
    Eine Kaffeekanne wurde aufgetragen, zusammen mit Mohnbrötchen und Erdbeermarmelade. »Das Problem ist nur, daß Sie nicht wahrhaben wollen, wie sehr sich die Welt geändert hat. Sie sind ein Überbleibsel der Vergangenheit. Als kämen Sie aus dem alten Rom und jagten jemandem nach, der Cäsar beleidigt hat. Ihre Vorstellung von einem Kriminellen ist, gelinde gesagt, veraltet. Wenn Sie hierbleiben wollen, müssen Sie das alles hinter sich lassen, es ausradieren.«
    »Ausradieren?«
    »Wie die Deutschen: West-Berlin war völlig zerstört, also haben sie es neu aufgebaut und zu einem Schaufenster des Kapitalismus gemacht. Unsere Antwort? Wir errichteten die Mauer, was West-Berlin natürlich weidlich ausgenutzt hat.«
    »Warum investieren Sie nicht in West-Berlin?«
    »Das hieße in den Kategorien der Vergangenheit denken. Offen

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