Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
Polytechnischen Oberschule Wilhelm Bahnik, noch zu DDR -Zeiten. Erinnerst du dich? Scherenbergstraße. Nach dem Mauerfall warst du plötzlich verschwunden.«
»Das ist zwanzig Jahre her«, sagt der Redaktionsleiter, als wolle er mich und mein löchriges Gedächtnis entschuldigen.
»Na und?«, widerspricht Lucy. »Du warst der Erste, den ich damals geküsst habe.«
Ich kann mich weder an meinen ersten Kuss noch an Lucy erinnern. Die Frau verschwindet kurz, kommt aber sogleich wieder. Sie drückt mir ein Visitenkärtchen in die Hand, sagt: »Melde dich mal!«, und lässt mich und den verdutzt dreinblickenden Redaktionsleiter wieder alleine.
Lucy M. Kravzik, Journalistin , steht auf dem Kärtchen mit Telefonnummer und der Adresse vom tip . Ich stecke die Visitenkarte ein und weiß im selben Moment, dass es nicht lange dauern wird, bis ich sie anrufen werde.
ICH
Ich vermisste meinen Vater nicht. Ich hatte ihn noch nie vermisst. Dafür vermisste ich einen Verbündeten gegen meine Mutter. Den gab es nicht, hatte es nie gegeben. Im Gegenteil. Die Liebhaber meiner Mutter, die sich mir abwechselnd als Konkurrenten entgegenstellten oder als Ersatzväter aufdrängten, waren mir alle zuwider. Sie schlüpften ohnehin nur in diese Rollen, um meiner Mutter zu imponieren. Für mich waren es nichts als Männer, die versuchten, mir meine Mutter wegzunehmen.
Ich reagierte mit Eifersucht, Verweigerung und Aggression. Meine Mutter wiederum drohte mir, mich ins Internat abzuschieben, wenn ich mich weiter so kindisch aufführte, wie sie es nannte. Also änderte ich zwar nicht meine Haltung, aber meine Strategie und ging zu perfideren, weniger offensichtlichen Angriffen über. Das lag mir ohnehin eher. Einen der Widersacher, ein ganz besonders ekliges Exemplar, beschloss ich sogar umzubringen. Ich wollte ihn mit Rattengift in der Spaghettisauce vergiften. Erst mit dem Gedanken, nicht ausschließen zu können, dass meine Mutter aus demselben Topf aß, verwarf ich den Plan.
Als ich älter wurde, rächte ich mich für ihr Desinteresse und die mangelnde Zuneigung, indem ich ebenfalls ein Mädchen nach dem anderen mit nach Hause brachte, was sie beinahe zur Verzweiflung trieb. Ich vögelte meine Freundinnen bei angelehnter Tür und animierte sie dabei, möglichst laut zu sein. Nicht selten schlug meine Mutter wütend die Tür zu. Zuletzt erwog sie ernsthaft, mir die Freundinnen zu verbieten. Woraufhin ich ihr lapidar entgegnete, entweder wir beide oder keiner.
Sie tippte sich an die Stirn, erklärte mich für völlig übergeschnappt und behauptete, das wäre mal wieder typisch und der Beweis dafür, dass ich ganz nach meinem Vater komme.
»Kann sein«, antwortete ich. »Aber den Hang zu ständig wechselnden Geschlechtspartnern habe ich wohl eindeutig von dir.«
Daraufhin redete sie tagelang nicht mit mir.
ER
Er weiß, dass sie kommen wird. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen will. Natürlich ist sie eifersüchtig. Natürlich denkt sie, dass ihr Mann sie betrügt. Sie hat schon lange einen Verdacht. Der fremde Duft, die späten abendlichen Sitzungen, seine umständlichen Erklärungen, die Jagd-Wochenenden mit den Professorenkollegen in der Uckermark.
Zuerst ist sie verwirrt, als er sie auf ihrem Handy anruft und sie fragt, ob sie an den Grenzüberschreitungen ihres Mannes interessiert sei.
»Was soll das?« Es klingt nicht nur verstört, es klingt verärgert. Als hätte sie sich selbst bei ihrer Eifersucht ertappt.
Als er ihr sagt, dass ihr Mann sie betrüge und er für nähere Auskünfte gerne zur Verfügung stehe, schlägt die Verwirrung in Empörung um.
»Was erlauben Sie sich?«, sagt sie, eine Spur zu aufgebracht. »Wer sind Sie überhaupt?«
Eigentlich müsste sie jetzt auflegen , denkt er. Sie legt aber nicht auf. Er weiß, dass ihre Empörung nicht ausreicht, mehr gespielt ist. Die Neugierde ist größer, die Eifersucht kaum beherrschbar. Für Augenblicke ist nur Schweigen im Hörer. Dann kann er ihren Atem hören, leise, ein wenig flatterhaft. Ein gutes Zeichen , denkt er und sagt: »Schauen Sie morgen in Ihren Briefkasten.« Noch bevor sie antworten kann, legt er auf.
Zwei Tage später ruft er erneut an.
»Und, glauben Sie mir jetzt?«
Sie erkennt ihn sofort wieder, sie hat auf seinen Anruf gewartet.
»Wo haben Sie das her?« Sie meint das Bild, auf dem ihr Mann mit einer jungen Studentin ein wenig unscharf und verwackelt zu sehen ist. Sie küssen sich. Es ist eine nicht sonderlich gute Fotomontage. Dennoch
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