Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
sehe Kleeberg an.
Der nickt. »Dr. Wagner-Zander«, sagt er.
»Was ist mit der?«, geht Dr. Wenger dazwischen.
»Welche Fachrichtung?«, frage ich, während Wenger mich anschaut, als hätte ich mich nach ihrer sexuellen Präferenz erkundigt. Oder seiner.
Dann schauen wir alle drei andächtig auf die tote Ärztin und schweigen. Bis Dr. Wenger die Pause unterbricht. »Kann sie jemand mal zudecken, verdammt noch mal?«, sagt er. »Das sieht ja widerlich aus!«
Zwei weiße Overalls eilen herbei und legen eine Decke über die Tote.
»Sie ist Psychiaterin an der Charité mit eigener Praxis«, sagt Dr. Wenger. »Oder vielmehr, war.«
»Interessant«, sage ich. »Wir haben einen toten Gaststättenkritiker, eine Buchhändlerin, eine Psychiaterin und einen Sicherheitsmann.«
»Und keine Ahnung, wie das alles zusammenhängt«, sagt Mechthild Gotthoff, die sich wieder zu uns gesellt.
»Na, dann wird es aber Zeit«, sagt Dr. Wenger, »bevor weitere Opfer dazukommen.«
Er lässt uns stehen. Gotthoff verdreht die Augen, Kleeberg schüttelt den Kopf, und ich starre auf die zugedeckte tote Ärztin. Warum sie? frage ich mich. Warum hier?
SIE
Von den Cocktails ist ihr ein bisschen schlecht. Wenn sie die Augen schließt, dreht sich alles. Dennoch fühlt sie sich leicht und unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Wie noch nie. Es ist schön , denkt sie, schön, in seiner Gegenwart zu sein.
Sie reden viel. Zuerst redet nur er, erzählt von sich, dem Polizeidienst, der Drogenfahndung und wie er zu all dem gekommen ist. Sie hört zu und verliert sich immer mehr in seinen Augen, starrt auf seinen schmalen Mund, der auf- und zugeht wie eine kleine Nagelschere. Sie lacht viel. Ihre Wangen fühlen sich warm an. Irgendwann erzählt auch sie von sich, ihrer Jugend im Schwäbischen, von ihrer alleinerziehenden Mutter und dem Wunsch, Schauspielerin zu werden. Jetzt hört er zu und lacht gelegentlich. Dann sagt er: »Das ist ja so ähnlich wie bei mir.«
Sie fühlt sich immer wohler neben ihm. Da ist mehr zwischen uns als nur Sympathie , denkt sie. »Ich habe immer schon gerne gespielt«, sagt sie. »Vielleicht war es einfach der Wunsch, anders zu sein. Oder eine andere zu sein.«
»Eine drogenabhängige Kriminelle«, sagt er und spielt auf die Dreharbeiten an, bei denen sie sich zufällig kennengelernt haben.
Sie lacht und tippt sich an die Stirn. »Das war nur der Versuch, mal was ganz anderes zu machen als Theater. Und eigentlich war die Idee von Doreen.«
»Doreen?«
»Meine beste Freundin.« Sie geniert sich ein bisschen, als wäre es gerade nicht der passende Augenblick, von besten Freundinnen zu reden. »Aber ich glaube, Film ist nichts für mich.«
»Ich fand es nicht schlecht.« Er sagt es beinahe nüchtern. Dennoch kommt es bei ihr als Kompliment an.
»Ja?«
»Ja.«
Sie wird ein wenig verlegen. Ihr ist heiß, und sie schwitzt jetzt nicht nur unter den Achseln. Sie hat das Gefühl, ihr ganzer Körper ist von einer glänzenden Schweißschicht überzogen. Sie lächelt mit schiefem Mund und kratzt am Nagelbett ihres kleinen Fingers herum.
»Als Kind habe ich mir ständig andere Biografien für mich ausgedacht. Mal war ich eine erfolgreiche Modedesignerin in Mailand, dann engagierte Ärztin in einem afrikanischen Entwicklungsland.«
»Kamerun«, sagt er, als wäre es ein Spiel.
»Angola, Sudan, Ghana.«
»Eritrea, Somalia, Tschad.«
Es klingt wie »Stadt-Land-Fluss«. Sie sehen sich an und lachen.
»Gott fliegt über Afrika«, sagt er. »Und weil er mal wieder gut gelaunt ist, sagt er sich: ›Ich werde hundert Afrikanern einen Wunsch erfüllen.‹ Er fragt den ersten Schwarzen: ›Was wünschst du dir?‹ Der Schwarze antwortet: ›Ich möchte weiß werden.‹ Der Wunsch wird ihm erfüllt. Auch der Zweite, Dritte, Vierte, Fünfte, alle neunundneunzig wünschen sich das Gleiche und werden augenblicklich weiß. Nur der Letzte krümmt sich vor Lachen. Gott fragt ihn: ›Und was wünschst du dir?‹ Der Schwarze sagt: ›Ich wünsche mir, dass alle wieder schwarz werden.‹«
Sie lacht Tränen und wischt sie sich mit einer Serviette aus den Augen. Als sie sich wieder beruhigt hat, sagt sie: »Manchmal wollte ich ein Tier sein.«
»Was für ein Tier?«
Sie denkt nach. »Einmal wollte ich die Katze der Nachbarin sein«, sagt sie dann. »Es war eine Maine-Coon-Katze, Löwe hieß sie. Sie lag den ganzen Tag unter dem Apfelbaum und döste vor sich hin.«
»Wie langweilig«, sagt er.
Sie entgegnet ernst: »Vielleicht,
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