Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
mich«, gehe ich dazwischen.
Sie lacht und gibt mir damit recht.
»Worum geht es?«
»Nicht am Telefon.«
»Oh, das klingt aber spannend.«
»Ja, und es ist vor allem gefährlich.«
Eine Stunde später treffe ich mich mit ihr im Panorama-Restaurant im Fernsehturm hoch über der Stadt. Ich habe das Gefühl, sie hat sich für unser Treffen schick gemacht. Oder trägt sie vielleicht immer diesen knalligen Lippenstift, und es ist mir bisher nur noch nicht aufgefallen? Und die angemalten Fingernägel? Eine Kette mit weißen Perlen? Ich versuche sie mir nackt vorzustellen. Es gelingt nicht. Sie lächelt mitleidig, als könnte sie meine Gedanken erraten.
»Also, worum geht es?«
Ich lege einen Umschlag vor sie auf den Tisch. Sie schaut kurz hinein. »Was ist das?«, will sie wissen.
»Ein Einweghandschuh.«
»Interessant.« Es klingt ironisch und eine Spur gelangweilt. Offenbar hat sie etwas anderes erwartet.
»Könnten Sie überprüfen lassen, ob das Blut darauf möglicherweise von Hans-Joachim Mühlbauer stammt?«
Sie geht nicht auf meine Frage ein. »Wo haben Sie den Handschuh her?«
»Gefunden.« Ich sehe ihr an, dass sie abwägt, ob sie nachhaken oder es dabei belassen soll.
»Vielleicht sind Fingerabdrücke drauf.«
»Von wem?«
»Vom Mörder natürlich.«
Nun scheint Mechthild Gotthoff doch noch neugierig zu werden. »Und warum darf Kleeberg nichts davon wissen?«
»Kleeberg vertraut mir nicht. Er überwacht mich.«
»Und warum soll ich Ihnen vertrauen?«
»Ich weiß nicht. Aber Sie sind die Einzige, der ich vertraue.« Ein Argument, dem sie sich kaum entziehen kann.
»Na gut.« Sie wirkt geschmeichelt.
»Wer hat eigentlich die Videobänder im Hotel Park Inn ausgewertet?«
»Das hat Kleeberg selbst gemacht.«
»Und?«
»Was und?«
»Ist ihm da nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Weiß ich doch nicht.«
Sie hört sich plötzlich ein wenig mürrisch an.
»Die abweichenden Uhrzeiten. Sommer- und Winterzeit, verstehen Sie?«
Sie sieht mich an, als wäre ich völlig übergeschnappt.
»Reden Sie eigentlich nicht miteinander?«, frage ich. »Sie und Kleeberg?«
Mechthild Gotthoff steht abrupt auf und will gehen. Ich halte sie am Ärmel fest.
»Wo wohnt Kleeberg eigentlich?«
»Kleeberg?« Sie schweigt eine Weile, als müsste sie nachdenken. Wohl kaum über seine Adresse, sondern darüber, warum ich das wissen will.
»Ja. Kleeberg.«
»Memhardstraße, gleich da vorne.« Sie zeigt aus dem Fenster der Fernsehturmkugel.
Das habe ich mir beinahe gedacht.
»Nummer zwei?«
»Ich glaube ja. Warum?«
»Nur so.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie Näheres wissen?«
»Was wissen?« Ich halte ihr den Umschlag mit dem Einweghandschuh entgegen. Sie steckt ihn ein und geht.
Als sie weg ist, hole ich das Opernglas von Greta aus der Tasche und suche im vielleicht fünfzig Meter Luftlinie entfernten Hochhaus in der Memhardstraße 2 die Fassade ab. Ich erkenne das offene Fenster meiner Wohnung. Daneben sind die Vorhänge zugezogen.
ER
Als er unter dem Bett nicht nur ihre gesammelten Pillen in einer Zigarettenschachtel fand, sondern auch das kleine schwarze Heft, kam Licht ins Dunkel. Er wusste sofort, dass es von ihr ist. Zunächst wagte er nicht, es aufzuschlagen. Er traute sich nicht, darin zu lesen.
Er spürte, dass es Folgen haben würde. Er befürchtete, danach würde nichts mehr so sein, wie es war. Einen ganzen Tag lang trug er das Heft mit sich herum, bis er es schließlich doch aufschlug. Nur wenige Seiten waren beschrieben. Vermutlich hatte sie nicht mehr in Worte fassen können, was sie bewegte. Womöglich hatte es einfach keine Worte mehr dafür gegeben.
Er fing an zu lesen. Las es immer wieder. So lange, bis er es auswendig konnte.
Sie hat unsere Freundschaft verraten. Sie hat sich schon immer alles genommen, was sie wollte. Ohne Rücksicht auf andere. Sogar ohne Rücksicht auf mich. Und Hài? Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihm so wenig bedeute. Für ihn war es vielleicht eine belanglose Geschichte, für mich die große Liebe. Und Doreen hat sie kaltblütig zerstört. Vielleicht hat sie mir es einfach nicht gegönnt. Auch wegen oder trotz unserer jahrelangen Freundschaft. Deshalb hat sie uns verraten. Ich will sie nie wieder sehen. Und ihn auch nicht. Nie wieder!
Dann folgen viele leere Seiten. Auf der letzten Seite stand nur ein einziger, scheinbar achtlos hingekritzelter Satz: Ich sehne mich nach dem Lachen der Hyänen .
Es waren ihre letzten Worte.
SIE
Zuhören. Die Augen
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