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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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ebenso wehmütig wie beklemmend.
    Ich und die anderen vom Schicksal verschonten wurden in die Reihe zurückgeschubst. Die drei Häftlinge mussten sich auf einen Stuhl stellen und bekamen einen Strick um den Hals gelegt. Sie wirkten apathisch. Der Offizier bellte einen Befehl, und die SS -Männer traten die Stühle um. Der in der Mitte, der einen Fluchtversuch unternommen und nach wie vor das Stück Pappe um den Hals hängen hatte, zappelte noch eine ganze Weile.
    Als ich kurz darauf die Baracke betrat, merkte Schlomo, dass etwas nicht stimmte. So nahe wie an diesem Tag war ich dem Tod bislang nie gewesen. Er lud mich auf sein Zimmer ein. Eine kurze Verschnaufpause. Wir hatten eine merkwürdige Beziehung: Bei jedem Besuch steckte er mir ein Stück Brot zu, selbst wenn ich nicht in der Lage war, einen Witz zu erzählen, so wie jetzt.
    Mit einer sauberen Hose aus Schlomos Schrank trocknete ich mein nasses Gesicht ab. Er suchte etwas unter seiner Matratze und stellte schließlich einen Flachmann vor mir auf den Tisch . Scotch Whisky, single malt, stand auf dem Etikett. Es war mir ein Rätsel, woher er das Zeug wieder hatte. Ich trank selten Hochprozentiges, aber jetzt nahm ich dankbar einen Schluck. Der Whisky schmeckte irgendwie nach Jod, doch ich beschwerte mich nicht.
    Schlomo sah mir wohlwollend zu. »Denk an etwas anderes, Holländer. Was macht dich glücklich?«
    »Dass ich noch lebe«, sagte ich matt. Mein Magen befand sich in Aufruhr. Ich hatte einen viel zu großen Schluck genommen.
    »Bist du allein im Lager?«
    Die Frage überraschte mich. So persönlich waren wir noch nie geworden.
    »Ohne Familie«, antwortete ich.
    Schlomo nickte mir aufmunternd zu.
    »Aber da ist eine Frau, Helena. Ich habe sie auf der Herfahrt kennengelernt.«
    »Und … du hast dich verliebt? Im Waggon?«
    »Was soll man machen.«
    »Ist sie im Frauenlager?«
    Ich seufzte. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich schon. Wie kann man das rausfinden?«
    »Das ist schwer, jedoch nicht unmöglich.«
    Sofort saß ich kerzengerade da. »Kann ich Kontakt zu ihr aufnehmen?«
    Er sah mich provozierend an. »Es gibt Mittel und Wege, Holländer. Aber diese Wege … sind teuer.«
    Sofort fiel mir der Diamant wieder ein. Wie gern hätte ich ihn gegen ein Lebenszeichen von Helena eingetauscht! »Ich habe ein paar Fußlappen«, sagte ich. »Ich kann sie auch waschen.«
    »Hast du Goldzähne?«
    »Dafür bin ich noch zu jung.«
    »Ich habe so einigen Häftlingen Goldplomben gezogen«, sagte er nachdenklich. »Davon kann man hier Monate leben.«
    Schweigen.
    »Vielleicht hast du Glück, Holländer. Ich kenne einen Elektriker, der überall arbeitet. Er hat auch im Frauenlager zu tun. Ich kann ihm etwas mitgeben, einen Brief. Er riskiert seine Arbeit und sein Leben. Dafür erwartet er natürlich eine Gegenleistung.«
    »Ja, aber was?«
    »Ich hab noch was gut bei dem. Wenn ich das organisiere, habe ich bei dir was gut.«
    »Woran denkst du?«
    »Du musst den Menschen Mut machen, Holländer. Ich möchte, dass du die Häftlinge in unserer Baracke zum Lachen bringst.«
    Ich sah ihn verblüfft an. »Aber … glaubst du wirklich, dass die darauf warten?«
    »Ich kenne zwei Köche, die sich jeden Tag ein neues Rezept ausdenken. Jeden Tag! Welches Fleisch, welche Garzeit, die Sauce, die Gewürze, das Gemüse, alles. Nach dem Krieg werden sie eine Woche für mich kochen. Das gibt ihnen Mut, Holländer. Hoffnung! Sie wachsen kurz über ihr Leid hinaus. Du kannst dafür sorgen, dass die Menschen das Lager vergessen. Mit einem Lächeln.«
    »Warum erzählst du keine Witze?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin der Blockälteste. Ich kann nicht morgens den Grausamen mimen und die Menschen abends zum Lachen bringen. Aber ich kann zulassen, dass du es tust.«
    »Wäre das erlaubt?«
    » SS -Männer kommen so gut wie nie in die Baracken. Dazu haben sie viel zu viel Angst vor Typhus und Cholera. Die Kapos werden das meiner Meinung nach schon erlauben. Andererseits brauchen sie es gar nicht erst zu wissen.
    Jeden Tag ein Lacher – wieder musste ich an meinen Vater denken. Konnte ich wirklich so viel ausrichten, wie Schlomo hoffte? Aber dies war auch nicht die entscheidende Frage. Es ging um einen Brief an Helena. Von Helena. Ich schlug auf den Tisch.
    »Ich fange gleich morgen damit an!«
    »Gut«, sagte Schlomo. »Weißt du ihre Lagernummer?«
    »Nein, bloß ihren Namen: Weiss. Helena Weiss.«
    Schlomo lief zum Schrank und holte ein Stück Papier, das er von einem Zementsack

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