Das Laecheln Deines Moerders
den Raum und sahen sich misstrauisch um, als befürchteten sie, jeden Moment von einer bösen Überraschung angefallen zu werden. Das gedämpfte Scharren der Stühle und die Geräusche vieler Menschen, die sich niederließen, wurde von Kelly Templeton unterbrochen. »Dr. Marshall, können wir jetzt über die Extrapunkte für den Test von letzter Woche reden?«
Jenna verdrehte die Augen, als sie bei dem Mädchen die Andeutung eines verschmitzten Lächelns entdeckte. Wenigstens würde Kelly diesmal nicht versuchen, sie zu erpressen. »Ja, okay, Kelly. Bring dein Blatt zu mir, dann sehen wir es uns mal an.«
Sie musterte die Gesichter ihre Schüler, als Lucas und Casey den Raum verließen. Die meisten schienen dem Frieden noch immer nicht zu trauen. Bis auf Kelly, die breit zu grinsen begonnen hatte.
Und bis auf Josh Lutz, der gequält und verunsichert wirkte. Sie nahm sich vor, nach der Stunde mit ihm zu reden, doch er entwischte ihr, als es klingelte.
Sie fragte sich, ob er etwas wusste. Sie fragte sich, ob er ihr etwas sagen würde. Und sie fragte sich nicht zum ersten Mal, was hinter den geschlossenen Türen des Lutz’schen Hauses vor sich gehen mochte.
Donnerstag, 6. Oktober, 9.45 Uhr
Steven funkelte die Zweite Bezirksstaatsanwältin verärgert an, als er den Eingangsbereich von Raleighs Polizeipräsidium betrat. »Ich kann nur hoffen, dass es wichtig ist.« Als sie angerufen hatte, hatte er Harry ein weiteres Mal das Ruder übergeben und war sofort losgefahren.
»Sagen Sie bloß, Sie haben sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten«, sagte Liz säuerlich.
Jetzt musste Steven doch grinsen. »Bei einem Polizistengehalt kann man sich keine Strafzettel leisten.«
Liz erwiderte das Grinsen. Sie waren im Grunde alte Freunde. »Glauben Sie,
ich
könnte das?« Dann wurde sie wieder ernst. »Wir gehen in den Verhörraum 2. Lieutenant Chambers rief mich an, nachdem sie diesen Typen gefasst hatten. Der Bursche hat offensichtlich etwas bei sich, das Chambers Ihnen gerne zeigen wollte.«
»Hat er schon was gesagt?«, fragte Steven, als sie sich in Bewegung setzten.
»Nein. Er will nur mit Ihnen sprechen. Wer ist der Typ?«
»Er taucht auf und lungert an verschiedenen Schauplätzen herum. Am Montag traf ich ihn bei dem Fußballmatch meines Sohnes, und Harry erzählte mir, dass er gestern Nacht dort aufgetaucht ist, wo wir das Mädchen suchen. Er hat Harry gesagt, dass er Reporter sei. Harry wollte Nancy heute Morgen bitten, mal ein paar Daten zu überprüfen.«
Sie hielten vor dem Verhörraum 2 an, wo Chambers mit finsterer Miene durch die Glasscheibe blickte. Auf der anderen Seite saß der dunkelhaarige Mann, den Steven bei Matts Spiel gesehen hatte. Chambers nickte ihnen knapp zu und reichte Liz dann einen dünnen Ordner.
»Ein Streifenpolizist hat ihn heute Morgen aufgegriffen. Ein Bewohner der Hook Street hatte angerufen und geklagt, dass dieser Kerl seit ein paar Tagen in der Straße herumlungert.«
Liz betrachtete den Fremden nachdenklich. »Also haben sie in seinen Wagen geleuchtet und auf dem Beifahrersitz diese hübsche Fotosammlung entdeckt.« Sie reichte den Ordner an Steven weiter. »Vier verstümmelte Leichen.«
Steven sah die Bilder rasch durch. »Vorher, nachher«, murmelte er und betrachtete die Fotos, die zu Lebzeiten der Mädchen aufgenommen worden waren. »Hübsche Dinger.« Er drehte die Aufnahmen um und las die Namen, die säuberlich auf der Rückseite notiert waren. »Haben Sie die Namen überprüft?«
Chambers nickte. »Alle vier sind vor drei Jahren in Seattle ermordet worden. Alle sechzehn Jahre alt. Alle Cheerleader.«
Steven seufzte. »Mist. Und seine Haare haben dieselbe Farbe wie jenes, das wir am Freitag auf der Lichtung gefunden haben.«
»Haben meine auch«, gab Liz knapp zurück. »Das heißt überhaupt nichts.«
Mikes übrigens auch,
dachte Steven, schalt sich aber augenblicklich selbst. Auch das hieß nichts. Und es war völlig undenkbar, dass Mike etwas damit zu tun hatte. Mike hatte seinen Sohn ohne Zwischenfall nach Hause gebracht. Steven spürte den Stachel des schlechten Gewissens. Er musste es wissen, denn er hatte Helen angerufen, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.
Mike hatte außerdem dafür gesorgt, dass Jenna sicher nach Hause kam. Und Steven musste auch das wissen, denn er hatte Jenna weit nach Mitternacht angerufen, nur um sie schläfrig ›Hallo‹ hauchen zu hören. Das schlechte Gewissen grub sich tiefer ein. Er hatte sich ja nur
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