Das Laecheln Deines Moerders
öffnete die Tür. »Sehen wir mal nach. Meine Bestandsliste sagt, ich müsste drei Flaschen haben«, murmelte sie, während sie suchte. »Ah – hier.«
Sie holte eine große braune Flasche und eine kleinere hervor, in der sie etwas für Otto abfüllen wollte. Aber als feine Körnchen aus der Flasche rieselten, stießen beide einen erschreckten Laut aus. »Das ist kein Silbernitrat«, sprach Otto aus, was beide nur allzu deutlich sahen.
Es war Sand. Ganz normaler Sand.
»Kann es sich jemand genommen haben, als sie hier im Klassenraum gewütet haben?«
Sie biss sich auf die Lippe. »Bei all dem Ärger, den ich hatte, habe ich auf den Chemikalienschrank besonders geachtet, aber ich habe natürlich nicht jede Flasche überprüft.«
Otto zog die buschigen Brauen hoch, und für einen kurzen Moment erinnerte er sie an einen haarigen Riesen. »Dann sollten wir es wohl besser jetzt tun«, sagte er. Er holte sein Handy hervor und rief im Labor an. »Wir brauchen mehr Leute«, erklärte er. »Dann können wir recht schnell eine Bestandsaufnahme durchführen.«
Bis vor kurzem hätte sie das Angebot vielleicht abgelehnt, aber jetzt nickte sie nur. »Danke, Otto. Das weiß ich zu schätzen.«
Er schlug ihr sanft auf die Schulter. »Ich wollte die ganze Zeit schon irgendwas tun. Jetzt habe ich endlich Gelegenheit dazu. Setz dich hin, Jenna. Ich reiche dir die Flaschen, und du schaust dir an, was drin ist.«
Donnerstag, 13. Oktober, 18.00 Uhr
Neil war einige Stunden ziellos herumgefahren. Hatte versucht, die Tatsache zu akzeptieren, dass Rudy Lutz nicht auf der Clary-Lichtung gewesen war und folglich nicht ihr Täter sein konnte. Aber es war ihm nicht gelungen. Tief in seinem Inneren wusste er, dass Rudy William Parker war. Und er wusste auch, dass die Mordlust, die einen Fünfzehnjährigen vor drei Jahren getrieben hatte, nicht einfach verschwinden würde. William Parker würde weitertöten.
Neil stellte seinen Mietwagen auf einen Parkplatz und musterte die Schule. Roosevelt High. Er hatte sich bisher nicht blicken lassen, weil er sich Rudy nicht zeigen wollte. Weil er ihm nicht verraten wollte, dass er wieder hinter ihm her war. Aber nun hatte er im Grunde genommen nicht mehr viel zu verlieren.
Parker war ihm einmal durch die Lappen gegangen, und ein zweites Mal würde das nicht geschehen. Lichtung oder nicht, Alibi oder nicht. Parker war schuldig, und bei Gott – diesmal musste er dafür bezahlen. Dafür würde Neil sorgen.
Und vielleicht würde er dann endlich Frieden finden.
Donnerstag, 13. Oktober, 18.00 Uhr
Jenna saß auf der Treppe zum Haupteingang der Schule und war verärgert. Steven war noch immer nicht da. Die Wachmannschaft hatte die Schule bereits abgeschlossen, und sie musste hier draußen warten, weil er, wenn er käme, nicht hineingelangen konnte, um ihr Bescheid zu geben. Und inzwischen hatte sie auch schon Mark anrufen und den Karateunterricht absagen müssen. Warum war sie bloß nicht selbst gefahren? Sie hatte keine Lust, jeden Abend warten zu müssen, nur weil auf Steven in dieser Hinsicht kein Verlass war.
Natürlich würde er kommen. Er hatte ihr eine SMS geschickt, dass er dringend noch woanders hinmusste, sie aber holen würde, sobald er konnte. Nun, jetzt hatte sie wenigstens Zeit, über die Dinge nachzudenken, die ihr im Augenblick wirklich am meisten Sorgen machten. Ihr fehlten Chemikalien. Und zwar eine ganze Menge.
Der Wind war kühl, und sie schauderte, als sie erneut auf die korrigierte Inventarliste blickte und überlegte, wozu jemand diese Substanzen entwenden sollte. Es fehlten Silbernitrat plus Brom, Chlorobenzonitril und Propylamin. Es war nicht gerade üblich, dass solche Chemikalien gestohlen wurden, denn die Gemische, die diese Zutaten benötigten, waren ziemlich komplex und erforderten ein gut ausgestattetes Labor. Hier in der Schule hätte man sie bestimmt nicht herstellen können.
»Jenna – Sie sind ja noch da.«
Jenna schaute auf und sah Neil Davies, der am Fuß der Treppe stand und sie musterte. »Neil.« Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, verschwand aber gleich wieder. »Ist mit Steven alles in Ordnung?«
Neil zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe ihn seit heute Morgen nicht mehr gesehen.« Er blickte sich um. »Sollten Sie denn hier allein herumsitzen?«
Ihr Geduldsfaden riss. »Nein, ich sollte hier nicht allein herumsitzen«, sagte sie bissig, hatte jedoch augenblicklich ein schlechtes Gewissen, als sie seine Miene sah. »Es tut mir
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