Das Laecheln Deines Moerders
Sammie war besser, aber sie spielte ja auch im Schultheater.«
Jenna holte bebend Luft. Es war ein Traum gewesen. Ein Traum. Das war alles. Kein Schmerz, keine tiefen Wunden. Sie öffnete die Augen. Vor ihr ragte Josh Lutz auf. Er hatte Stricke in der Hand.
Er kniete sich neben sie und band ihr die Hände zusammen. »Nächstes Mal muss ich mir eben etwas Besseres ausdenken. Wovor haben Sie Angst, Miss Marshall? Samantha hatte Angst vor Schlangen. Die sich lautlos näherten. Zischelnde Giftschlangen. Ssssss.« Seine Hände glitten zu ihren Beinen. »Wovor haben Sie Angst?«
»Vor dir nicht!«, fauchte Jenna und wand sich unter seinen Händen, aber er hielt nur ihre Fußknöchel fest und lachte leise.
»Aufmüpfig. Schön. Das hatte ich gehofft.« Er zog einen anderen Strick aus seiner hinteren Hosentasche, und Jenna zwang ihre Gedanken zur Konzentration. Rief sich in Erinnerung zurück, was sie alles über Selbstverteidigung gelernt hatte, wie sie die Füße halten musste, um den größten Spielraum zu erhalten, wenn Josh den Strick verknotete. Betete, dass sie ihn würde lösen können.
Er fesselte ihre Füße, und sie gab vor, sich zu wehren, doch am Ende befanden sich ihre Füße in genau der Position, die sie sich erhofft hatte. Dann entdeckte sie, dass sie nun mehr von der Scheune sehen konnte. Sie sah die gegenüberliegende Wand und den Tisch, auf dem ein Plastikkoffer stand. Dann zog sich ihr Magen zusammen. Da war noch ein anderer Tisch, und auf dem lag Kelly. Nackt. Sie reckte sich, um zu sehen, ob Kelly noch am Leben war.
»Sie ist noch nicht tot«, sagte Josh. »Aber es dauert nicht mehr lange.«
Kelly lebte also.
Und ich auch.
Aber Kelly war nackt und sie noch immer bekleidet. Warum? Warum hatte er sie nicht ebenfalls ausgezogen? Kellys Kopf war kahl rasiert, ihr Haar hing geflochten an der Wand.
Aber mir hat er das noch nicht angetan. Warum nicht?
Sie behielt ihre Fragen vorsichtshalber für sich – sie konnte nicht wissen, ob sie Josh nicht dazu bringen würden, schneller zu agieren. Andererseits war es wahrscheinlich, dass er Gründe dafür hatte, sie bisher relativ unversehrt zu lassen.
Miss Marshall,
dachte sie. In der Schule hatte er sie
Dr. Marshall
genannt, doch hier, wo er sie in der Gewalt hatte, war es nur
Miss
. Ein bewusster Versuch, ihre Autorität zu untergraben, wie er es vom Papa gelernt hatte, nahm sie an. Trotzdem traute er sich nicht, sie zu duzen und ihren Vornamen zu benutzen, und sie schloss daraus, dass sie in seinem Kopf noch nicht auf derselben Stufe wie die Mädchen stand. Sie hoffte, dass sie das gegen ihn verwenden konnte. Sie musste die Scheune auf eine Fluchtmöglichkeit hin absuchen. Denn sie musste entkommen. Und sie
würde
entkommen.
Freitag, 14. Oktober, 21.00 Uhr
»Was zum Teufel soll das alles?« Victor Lutz polterte in den Verhörraum 1, in dem eine dünnlippige Nora Lutz mit ihrem Anwalt und Liz saß. Lutz erkannte Davies, der mit verschränkten Armen und versteinerter Miene in einer Ecke saß, und wurde bleich. Dennoch besaß er die Nerven, mit Davies »Wer sieht zuerst weg« zu spielen.
Endlich wandte sich Lutz ab, und Steven sah zufrieden einen Anflug von Furcht in den Augen des arroganten Mannes. »Wir haben uns bereits darüber unterhalten«, sagte Lutz, deutlich aus der Bahn geworfen. »Mein Sohn hatte mit dem Vandalismus nichts zu tun.«
Steven hätte den Mann am liebsten hier und jetzt erwürgt. Stattdessen zwang er seinen rasenden Herzschlag zur Ruhe und seine Stimme zu Gelassenheit. »Wir reden hier nicht über Vandalismus. Wir reden über Mord.«
»Der Englischlehrerin geht es gut«, widersprach Lutz. »Sie ist heute Morgen aus dem Krankenhaus entlassen worden.«
Steven zog eine Braue hoch. »Sie haben sich Sorgen gemacht, nicht wahr? Nun – kein Wunder, denn selbst Sie werden vermutlich in Erwägung gezogen haben, dass Ihre ›Ermunterung‹ der Grund dafür war, warum die Jungen die Bremsleitungen von Dr. Marshalls Wagen durchtrennt haben.« Steven hielt abwehrend die Hand hoch, als Lutz zum Protest ansetzte. »Sparen Sie sich das für die Anklageerhebung. Ich habe zwei junge Männer, die beschwören, dass Sie mit der Tat in Verbindung stehen. Aber ich rede hier nicht von versuchtem, sondern von mehrfachem Mord. Vier junge Mädchen vor vier Jahren in Seattle. Vier junge Mädchen letzten Monat in Raleigh. Na, klingelt was?«
Lutz’ Blick glitt zu Davies, der noch immer in seiner Ecke saß, dann zurück zu Steven. »Er ist verrückt.
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