Das Laecheln Deines Moerders
gekniet hatte, als ein Geräusch ihn aufschrecken ließ. Instinktiv fuhr seine Hand zu seiner Waffe.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du wohl endlich nach Hause kommen würdest, Steven.«
Er stand langsam auf und drehte sich um. Zwei Bankreihen hinter ihm saß ein Mann. Seine Schläfen waren bereits ergraut. Genau wie Steven war er älter geworden. Als Kinder waren sie zusammen Messdiener in dieser Kirche gewesen. Waren dicke Freunde gewesen. Bis vor vier Jahren alles anders geworden war.
Vor vier Jahren, als Melissa starb und Steven eine seiner größten Sünden dem einzigen Mann gebeichtet hatte, dem er vertraute. Derselbe Mann, der zwei Reihen hinter ihm saß und dessen weißer Priesterkragen einen scharfen Kontrast zu seiner braunen Haut bildete.
Steven schluckte. »Mike.«
Mike zog die buschigen Brauen hoch. »Father Mike für dich.« Er grinste. »Mein Sohn.«
Steven musste wider Willen lächeln. »Vergiss es.
Father.«
Mike schüttelte in gespieltem Kummer den Kopf. »Dafür sollte ich dir fünf
Ave-Maria
aufbrummen.«
»Für ›Vergiss es‹?«
»Für das, was du eigentlich gesagt hättest, wenn du auf der Straße gewesen wärest.«
Steven suchte den Blick seines Freundes, und beide wurden wieder ernst. »Ich müsste eine ganze Menge mehr als nur fünf aufsagen.«
»Warum bist du gekommen, Steven?« Mikes sanfte, sonore Stimme drang bis in den letzten Winkel der stillen Kirche.
Steven drehte sich um und suchte einen Ankerpunkt für seinen Blick, den er schließlich in der Statue der Mutter Maria mit dem Kind fand. Er kannte die Antwort selbst nicht. »Ich weiß es nicht«, sagte er also schließlich. »Wahrscheinlich wusste ich einfach nicht, wo ich sonst hätte hingehen sollen.«
»Der Grund ist so gut wie jeder andere auch«, sagte Mike. »Du hast mir gefehlt, Steven. Nach der Sache mit Nicky im Frühling dachte ich, wir würden miteinander reden. Ich hatte ein paar Mal angerufen, aber …«
Mikes Stimme verebbte, und Steven wusste, dass er nun nicht mehr Father Leone war, sondern sein bester Freund … sein treuester Freund. Ein Freund, den er vernachlässigt hatte. »Aber ich habe nie zurückgerufen«, beendete Steven den Satz. Er senkte den Blick. »Es tut mir Leid, Mike.«
»Mir auch. Ich hätte hartnäckiger sein müssen. Ich hätte zu dir kommen sollen.«
Steven hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob das was genützt hätte.«
Mike seufzte. »Auch das tut mir Leid. Wie geht’s den Jungs?«
Steven blickte über die Schulter. Mike saß noch immer genauso da wie eben. Das war eine Sache, die Steven stets an seinem Freund bewundert hatte: Die Geduld, die er ausstrahlte, kam von innen und konnte jedes noch so verängstigte Gemeindemitglied in kürzester Zeit beruhigen und wieder zu sich zurückführen. »Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es ihnen gut geht, aber leider ist es nicht so. Matt ist noch der normalste von den dreien.«
»Matt?« Mike neigte den Kopf. »Kaum zu glauben. Was ist denn mit Brad?«
Die Last schien plötzlich noch schwerer zu werden. »Ich weiß nicht.« Stevens Schultern fielen nach vorne. »Und ich weiß auch nicht, was ich tun soll, Mike. Er hat sich … über Nacht verändert.«
»Menschen ändern sich selten über Nacht«, bemerkte Mike.
»Bei Brad war es aber so. Ich habe keine Ahnung, wer oder was das ausgelöst haben mag. Am Anfang dachte ich noch, es würde vorbeigehen, aber …«
»Es wurde nur schlimmer.«
»So was hörst du wahrscheinlich oft.«
»Unglücklicherweise ja. Setz dich, Steven. Bitte.« Mike beugte sich vor und klopfte sacht auf die Bank vor ihm. »Du machst mich nervös. Du bist angespannt wie eine Stahlfeder.«
Steven ließ sich auf die Holzbank fallen, drehte sich halb zu seinem Freund um und legte den Arm auf die Lehne. »Ich habe heute eine Lehrerin von Brad gesprochen. Er wird den Chemiekurs nicht bestehen.«
»Autsch.«
Steven nickte. »Ich wollte mit ihm darüber reden, als ich nach Hause kam, aber er hat sich mir gegenüber so benommen, als ob er mich … mich hassen würde.« Das Ende des Satzes hatte er geflüstert. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Er zuckte zusammen, als Mike eine Hand auf seine legte, zog sie aber nicht weg. Es war irgendwie … wie in alten Zeiten. Die Emotionen wallten auf und drängten in seine Kehle, und Steven musste schlucken, um sie niederzukämpfen, bevor sie außer Kontrolle geraten konnten. Er holte tief Luft und wartete, bis er wieder normal sprechen konnte. »Wie ich
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