Das Laecheln der Chimaere
Gasarow warf Kolossow einen schiefen Blick zu. »Der weiß alles über seinen Chef, beobachtet ihn wie ein Uhu . . . Er hat gesagt, Saljutow würde gegen drei im › Mohn ‹ erwartet. Sie war fest entschlossen zu fahren. Was sollte ich machen? Ich hatte nicht mal mehr Geld für Zigaretten!«
»Und warum war Egle so sicher, dass Saljutow ihr Geld geben würde?«, fragte Katja. »Hat sie ihn vielleicht früher schon mal um Hilfe gebeten?«
Gasarow schaute sie an und wurde plötzlich puterrot.
»Ich . . . ich habe sie nicht dazu gedrängt. . . Sie wollte es selbst. Er hat ihr mehrmals Geld gegeben. Ich hatte erst auch den Verdacht, dass sie mit ihm . . . Aber sie hat mir geschworen, nein, da war nichts.«
»Aha, Saljutow hat ihr also das Geld einfach nur so gegeben, ihrer schönen Augen wegen«, bemerkte Kolossow spöttisch. »Ein echter Wohltäter.«
»Einen Moment«, unterbrach Katja ihn und wandte sich an Gasarow. »Sagen Sie jetzt die Wahrheit oder lügen Sie?«
Gasarow schwieg, dann antwortete er: »Ich sage die Wahrheit. Über sie könnte ich jetzt gar nicht. . . ich könnte einfach nichts Unwahres sagen.«
27
Verklungen waren des Schicksals Fanfaren. Verklungen, verhallt. . . Gleb Kitajew konnte sich nicht mehr erinnern, wo er diesen wunderbaren Vers gehört hatte. Aber das war auch nicht wichtig. Das tote Mädchen war aus dem Spielsaal ins Leichenschauhaus gebracht worden, die Miliz hatte sich zurückgezogen, die Angestellten hatten sich ebenfalls leise zerstreut. Alle hatten das Kasino verlassen. Wie die Ratten das sinkende Schiff. Der Kreuzer »Roter Mohn« ging mit einem riesigen Leck auf Grund. Von seiner ganzen vielköpfigen Mannschaft waren nur noch zwei an Bord geblieben – der Kapitän und sein erster Steuermann.
Seit langer, langer Zeit hatte Gleb Kitajew zwei Dinge nicht mehr getan: sich am Arbeitsplatz betrunken und sich an seine Zeit bei der Schwarzmeerflotte erinnert. Viele Jahre lang war der Dienst bei der Marine so weit weg gewesen wie die Wellen des Schwarzen Meeres, wie die Heimatstadt, in der er geboren und aufgewachsen war, mit ihren Boulevards, Kastanienbäumen und Stränden. Jetzt kam das alles plötzlich wieder hoch, vom Grunde seines Gedächtnisses, und er spürte wieder wie in seiner Jugend das schwankende Deck, den unsicheren Boden, der unter seinen Füßen nachgab.
Kitajew saß unten in der Wachstube. Allein. Betrunken. Als all diese Fanfaren verklungen waren und ihm klar wurde, dass dies das Ende war, hatte er die Schlüssel aus seiner Ta-sche genommen, die Schublade des Tisches aufgeschlossen, eine Flasche Wodka der Marke »Juri Dolgoruki« herausgeholt und sich betrunken.
Er saß in der bunkerähnlichen Wachstube wie im Laderaum eines untergehenden Schiffs. Er musste einen Weg finden, wie er sich aus diesem Grab befreien konnte. Irgendwo dort oben auf der Brücke, im ersten Stock, nicht weit entfernt von dem Kaminzimmer, in dem Vitas Taurage erschossen worden war, in einem Raum mit zugezogenen Vorhängen und verschlossener Tür, befand sich der Kapitän. Auch er hatte sein Schiff nicht verlassen, obwohl er wusste, dass es bald auf Grund gehen würde.
Kitajew erinnerte sich an Saljutows Gesichtsausdruck, als sie dieses Mädchen gemeinsam von der Straße in den Spielsaal trugen. Sie war bereits tot. Aber Saljutow wollte es nicht glauben, wollte irgendetwas tun. Aber was konnte er schon tun?
Ein solches Geschäft – ruiniert! Wie konnte das sein? Wie viel Hoffnung, wie viel Kraft und Arbeit steckten darin – und alles, alles war verloren . . .
Kitajew schaute auf den dunklen Monitor über dem Schaltpult. Alle Kameras waren ausgeschaltet. Wer brauchte sie jetzt auch noch? Selbst wenn der Chef das Kasino verkauft, dachte er, werden wir die Investitionen doch nicht wieder hereinbekommen. Wir sind am Ende. Aber wer auch immer daran schuld ist und das alles vernichtet hat – den bringe ich um. Sobald ich weiß, wer es war – bringe ich ihn um, lösche ihn aus. Reiße ihn mit diesen meinen Händen in Stücke.
Kitajew hob seine Hände vors Gesicht. Es gab einmal eine Zeit (sie lag allerdings schon lange zurück), da waren diese Hände immer voller Schwielen gewesen. Damals absolvierte er seine Militärzeit und schuftete anschließend als einfacher Handwerker auf der Schiffswerft. Jetzt hatte er keine Schwielen mehr, dafür steckte auf seinem dicken kleinen Finger ein eleganter Platinring mit einem Saphir.
Das Klingeln des Telefons zerriss die Stille der Wachstube. Nein,
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