Das Laecheln der Chimaere
Person war an jenem Abend überhaupt nicht dort.«
»Wer ist uns damals durch die Lappen gegangen?«, fragte Bindjushny Kolossow.
»Saljutow und sein Sohn Philipp. Der Sohn wurde während der Kontrolle gerade von mir verhört, sein Vater war dabei anwesend. Und außerdem . . .Ja, genau, der Portier Peskow! Der auch nicht. Er hat auch gerade zu der Zeit, als die Gäste überprüft wurden, seine Aussage gemacht.«
»Dann müssen wir uns schnellstens ihre Abdrücke besorgen und überprüfen.« Bindjushny stand vom Stuhl auf. »Ich fahre jetzt gleich zu Peskow und hole ihn her. Um Saljutow und seinen Sohn sollte sich auch noch heute jemand kümmern.«
»Weißt du, wen wir damals noch vergessen haben?«, sagte Nikita. »Die Witwe von Igor Saljutow – Marina. Ich selbst habe ihr ja damals erlaubt, nach Hause zu fahren. Sie hatte noch so eine Oma bei sich, na ja, die kann man wohl außen vor lassen. Aber die drei anderen müssen überprüft werden.«
»Und Peskow als vierter«, fügte Bindjushny hinzu. »Na, dann will ich mich mal lieber auf den Weg machen, bevor du mir noch jemanden aufhalsen kannst.«
28
Aber Bindjushny traf den ehemaligen Portier des »Roten Mohn« nicht zu Hause an. Peskows Frau erklärte, ihr Mann sei vor zwei Tagen zur Beerdigung eines Verwandten nach Jaroslawl gefahren. Ob das die Wahrheit oder eine Ausrede war, ließ sich nicht feststellen. Es war aber auch nicht mehr nötig, weil die Ereignisse sich plötzlich zu überschlagen begannen.
Während Bindjushny unterwegs zu Peskow war, schnappte sich Nikita den Spurenexperten und fuhr mit ihm zusammen zum x-ten Mal ins Kasino, in der Hoffnung, dort Saljutow anzutreffen, ihm – pro forma natürlich – die Fingerabdrücke abzunehmen und mit seiner Hilfe sanften Druck auf seinen Sohn und seine Schwiegertochter auszuüben, damit auch sie sich dieser simplen Prozedur unterzogen. Aber er kam gar nicht bis zum Kasino. Unterwegs beschloss er, Katja anzurufen. Ihm war eingefallen, dass sie noch gar nicht über die »Brautschau« in Krylatskoje gesprochen hatten. Im Prinzip hätte man das zwar auch auf morgen verschieben können – denn an der Sachlage änderte sich dadurch nichts. Solange nicht klar war, wer außer Shanna Basmanjuk am Steuer des BMW hätte sitzen können, kamen sie doch nicht von der Stelle. Aber Kolossow war gewohnt, sein Wort zu halten. Deshalb bremste er und nickte dem Experten zu – der verstand, stieg aus und machte eine Zigarettenpause. Kolossow griff nach dem Hörer und wollte gerade die Nummer des Pressezentrums wählen, als das Telefon plötzlich klingelte. Der Anrufer war Obuchow.
»Wo steckst du?«, fragte er lakonisch.
»Im Auto, auf der Chaussee. Warum?«
»Ich habe eine Neuigkeit für dich.« Vorhin hatte Obuchow noch kleinlaut und fast schon deprimiert ausgesehen. Jetzt aber schwang in seinem Tonfall Triumph und Überlegenheit. »Eben haben wir festgestellt, von wem die Fingerabdrücke aus dem BMW sind.«
»Was? Wie denn?«
»Immer der Reihe nach.« Obuchow grinste selbstzufrieden. »Die Abdrücke sind identifiziert, wir haben den Typ schon aus dem Archiv rausgesucht, sein Foto liegt vor mir. Komm am besten gleich vorbei, dann kannst du dich selbst dran ergötzen.«
»Aber wer ist es denn?«, fragte Kolossow ungeduldig. »Wer?«
»Laut unserer Datenbank handelt es sich um die Fingerabdrücke eines gewissen Nikolai Anatoljewitsch Djakow, zweiunddreißig Jahre alt, gebürtig aus Ladoschski, Kreis Leningrad. Früher Kommandeur einer Abteilung der Spezialeinheit › Strahl ‹ , die gegen illegale Demonstrationen und Massenunruhen eingesetzt wurde. 1994 wurde er aus dem Dienst entlassen, weil er straffällig geworden war. Er hatte in betrunkenem Zustand ein älteres Ehepaar angefahren, die beiden hilflos zurückgelassen und Fahrerflucht begangen. Acht Jahre hat er abgesessen, nach seiner Entlassung zog er um nach Moskau. Bis vor kurzem arbeitete er hier als Fahrlehrer im Automobilklub › Formel 3 ‹ und auch in anderen Klubs. Früher, vor seiner Haft, war Djakow Rennfahrer, von 1992 bis 1994 gehörte er sogar zur Auswahlmannschaft des Innenministeriums. Kommt dir dieser Djakow bekannt vor, Nikita?«
Kolossow schwieg. Die Namensliste der Gäste und Angestellten des Kasinos, die am Tag von Teterins Tod zusammengestellt worden war, kannte er in – und auswendig. Ein Familienname Djakow tauchte darin nicht auf. Dafür konnte Nikita sich verbürgen.
Er schloss die Augen: eine von Menschen überflutete Straße.
Weitere Kostenlose Bücher